Chronik

Vor 45 Jahren: Knappes Match um AKW

Mit 50,5 zu 49,5 Prozent haben sich die Österreicherinnen und Österreicher am 5. November 1978 gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf (Bezirk Tulln) entschieden – für die Großparteien eine herbe politische Niederlage.

Für die beiden damaligen Großparteien SPÖ und ÖVP war dieser historisch erste Volksentscheid in Österreich eine bittere Pille. Für die SPÖ deshalb, weil sie sich für die Inbetriebnahme starkgemacht hatte, und Bundeskanzler Bruno Kreisky sein politisches Schicksal damit verband. Und für die ÖVP, weil sie umschwenkte und ein „Nein“ empfahl, um Kreisky zu Fall zu bringen. Der Kanzler trat jedoch entgegen der Erwartung nicht zurück und fuhr stattdessen bei den Nationalratswahlen im Jahr darauf sein bestes Ergebnis ein.

Die Zwentendorf-Abstimmung war im Rückblick die Initialzündung einer breiten Bürgerbewegung, die später unter anderem in der Gründung der Grün-Parteien Alternative Liste Österreichs (ALÖ) und Vereinte Grüne Österreichs (VGÖ) mündete. Die FPÖ, die im Jahr 1978 bei unter zehn Prozent an Wählerstimmen lag, schwenkte bei ihrer Empfehlung zur Gänze Richtung „nein“.

Großparteien erkennen nicht den Zeitenwandel

Protestinitiativen, wie sie im Zuge der 68er-Bewegung weltweit entstanden waren, fruchteten in Österreich erst mit einer gewissen Zeitverzögerung. In den 1960er Jahren fand politischer Protest in Österreich noch wenig Niederschlag. Erst am Beginn der 1970er Jahre wurde in Graz die Führung einer Autobahn durch die Stadt verhindert, in der Weststeiermark wurden die negativen Auswirkungen der Emissionen des Kohlekraftwerks Voitsberg auf Natur und Gesundheit durch eine Bürgerinitiative erfolgreich bekämpft. Mit der Besetzung des ehemaligen Schlachthofs und Veranstaltungszentrums Arena von 1976 in Wien fand der Protest schließlich auch in die Hauptstadt.

Da war etwas in Bewegung geraten, erklärte dazu Christian Rapp, der wissenschaftliche Leiter des Hauses der Geschichte in Sankt Pölten. Die Parteispitzen der beiden damaligen Großparteien hatten die Zeichen der Zeit nicht erkannt und das Potenzial der neu entstehenden Bürgerbewegungen unterschätzt. Die erste Volksabstimmung der Zweiten Republik bot mit dem breiten Thema Atomenergie genug Anlass, den Widerstand zu bündeln.

Fotostrecke mit 21 Bildern

100 Jahre NÖ 1978 AKW Zwentendorf Volksabstimmung
EVN Archiv/ Zupan Film
1972 erfolgte der Spatenstich für das AKW. Wenige Jahre später regte sich Widerstand.
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100 Jahre NÖ 1978 AKW Zwentendorf Volksabstimmung
EVN Archiv/ Zupan Film

Einstellungswandel im Ort Zwentendorf

1978 war die überwiegende Mehrheit im Ort Zwentendorf für die Inbetriebnahme des Atommeilers. Die Gründe lagen auf der Hand: Mehrere tausend Beschäftigte waren bei der Errichtung des Kraftwerks im Einsatz, viele Betriebe im Ort profitierten von der Baustelle. Schließlich ließ sich auch die Mehrzahl der künftigen Belegschaft des Atomkraftwerks (AKW) in der Region nieder.

Heute ist die Stimmung im Ort anders, sicherlich geprägt auch durch Reaktorunfälle in den vergangenen 30 Jahren wie Three Mile Island in Harrisburg (USA), Tschernobyl (in der damaligen UDSSR), Fukushima (Japan) und schließlich die unsichere Lage rund um das AKW Saporischschja im Krieg in der Ukraine. Ein Bewohner Zwentendorfs, der vor zwanzig Jahren hierhergezogen war, meint im Gespräch mit noe.ORF.at: „Ich habe das Kraftwerk drei Kilometer entfernt von mir in Blickweite. Oft denke ich mir, mein Gott, es ist gut, dass es nicht in Betrieb gegangen ist.“

100 Jahre NÖ 1978 AKW Zwentendorf Volksabstimmung
ORF
Vor dieser Wahl standen die Österreicherinnen und Österreicher vor 45 Jahren

Vom Museum Zwentendorf geht heute keine Gefahr aus. Die Straßen mit den schmucken Einfamilienhäusern rücken immer näher an das Kraftwerksgelände heran. Ob es bei einem Betrieb des AKW auch so gekommen wäre, bleibt Spekulation. Ein heute sehr beliebtes Gasthaus in unmittelbarer Nähe des Kraftwerks wäre damals wohl nicht dort errichtet worden.

Das Thema Atom spaltete Familien

1972 erfolgte der Spatenstich für das AKW. 1975 regte sich erster Widerstand gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie in Österreich, die Proteste wurden heftiger. Das Kraftwerk spaltete keine Atome, sondern die Politik, die Parteien und die Bevölkerung. Rapp war damals als 14-jähriger Schüler bereits Gegner der Atomkraft.

„Meine Mutter war von Beginn an dagegen. Mein Vater war eher dafür. Meine Schwester und ich, obwohl wir beide noch nicht stimmberechtigt waren, haben auf ihn bei Spaziergängen und gemeinsamen Essen eingeredet und ihn schließlich dazu gebracht, dass er auch mit Nein gestimmt hat. Wir Geschwister bildeten uns damals ein, dass wir damit zu diesem immens knappen 30.000-Stimmen-Überhang beigetragen haben“, erzählt der Historiker im Gespräch.

Elektrischer Strom aus dem AKW Zwentendorf heute

Aus heutiger Sicht, mit Blick auf den Klimawandel, zeigt sich, dass der Ausstieg aus der Atomenergie 1978 zu einem Zuwachs bei den Kohlekraftwerken führte. Drei Atommeiler waren geplant, gebaut wurden danach aber mehrere Kohlekraftwerke, unter anderem Dürnrohr (Bezirk Tulln) in unmittelbarer Nähe des Kernkraftwerkes. In dieser Anlage kamen Jahre später viele der Beschäftigten des AKW unter.

Das Kraftwerk Zwentendorf ist heute unter anderem ein Museum. Die Führungen durch die spektakuläre Anlage sind sehr beliebt. Weniger bekannt ist, dass das Verwaltungsgebäude zwischenzeitlich auch als Ausweichschule für Zwentendorfer Schülerinnen und Schüler genutzt wurde. Es dient heute zudem als Trainingszentrum für Bundesheer, Polizei und Rettungshundestaffel.

Fotostrecke mit 15 Bildern

APA3872409-2 – 01042011 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ZU APA 440 CI – THEMENBILD – Die Steuerwarte des Atomkraftwerkes Zwentendorf aufgenommen am Freitag, 01. April 2011. Dass …sterreichs Bevšlkerung im November 1978 gegen Atomkraft stimmte, bescherte dem Ort im Tullnerfeld ein Industriedenkmal, das jetzt unter dem Eindruck der Katastrophe im bau-Šhnlichen Typ in Fukushima (Japan) verstŠrkt im Rampenlicht steht. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
APA/Helmut Fohringer
ABD0005_20181030 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ++ ARCHIVBILD/THEMENBILD ++ Die Steuerwarte im Atomkraftwerks Zwentendorf, aufgenommen am 1. Oktober 2008. Vor 40 Jahren, am 05. November 1978, entschied sich die Mehrheit der …sterreicher gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf. (ARCHIVBILD VOM 1.10.2008) – FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
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APA3872387-2 – 01042011 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ZU APA 440 CI – THEMENBILD – Die Steuerwarte des Atomkraftwerkes Zwentendorf aufgenommen am Freitag, 01. April 2011. Dass …sterreichs Bevšlkerung im November 1978 gegen Atomkraft stimmte, bescherte dem Ort im Tullnerfeld ein Industriedenkmal, das jetzt unter dem Eindruck der Katastrophe im bau-Šhnlichen Typ in Fukushima (Japan) verstŠrkt im Rampenlicht steht. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
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APA3872087-2 – 01042011 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ZU APA 440 CI – THEMENBILD – Detailansicht der Steuerwarte des Atomkraftwerkes Zwentendorf aufgenommen am Freitag, 01. April 2011. Dass …sterreichs Bevšlkerung im November 1978 gegen Atomkraft stimmte, bescherte dem Ort im Tullnerfeld ein Industriedenkmal, das jetzt unter dem Eindruck der Katastrophe im bau-Šhnlichen Typ in Fukushima (Japan) verstŠrkt im Rampenlicht steht. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
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ABD0011_20181030 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ++ ARCHIVBILD/THEMENBILD ++ Au§enansicht des Atomkraftwerks Zwentendorf, aufgenommen am 1. Oktober 2008. Vor 40 Jahren, am 05. November 1978, entschied sich die Mehrheit der …sterreicher gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf. (ARCHIVBILD VOM 1.10.2008) – FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
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ABD0012_20181030 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ++ ARCHIVBILD/THEMENBILD ++ Innenansicht des Atomkraftwerks Zwentendorf, aufgenommen am 1. Oktober 2008. Vor 40 Jahren, am 05. November 1978, entschied sich die Mehrheit der …sterreicher gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf. (ARCHIVBILD VOM 1.10.2008) – FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
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APA3872030-2 – 01042011 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ZU APA 440 CI – THEMENBILD – Unterschiedliche SchutzanzŸge aufgenommen am Freitag, 01. April 2011, im AKW Zwentendorf. Dass …sterreichs Bevšlkerung im November 1978 gegen Atomkraft stimmte, bescherte dem Ort im Tullnerfeld ein Industriedenkmal, das jetzt unter dem Eindruck der Katastrophe im bau-Šhnlichen Typ in Fukushima (Japan) verstŠrkt im Rampenlicht steht. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
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APA3872048-2 – 01042011 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ZU APA 440 CI – THEMENBILD – Blick in den Reaktor des Atomkraftwerkes Zwentendorf aufgenommen am Freitag, 01. April 2011. Dass …sterreichs Bevšlkerung im November 1978 gegen Atomkraft stimmte, bescherte dem Ort im Tullnerfeld ein Industriedenkmal, das jetzt unter dem Eindruck der Katastrophe im bau-Šhnlichen Typ in Fukushima (Japan) verstŠrkt im Rampenlicht steht. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
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APA3872406-2 – 01042011 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ZU APA 440 CI – THEMENBILD – Blick in den Reaktorraum des Atomkraftwerkes Zwentendorf aufgenommen am Freitag, 01. April 2011. Dass …sterreichs Bevšlkerung im November 1978 gegen Atomkraft stimmte, bescherte dem Ort im Tullnerfeld ein Industriedenkmal, das jetzt unter dem Eindruck der Katastrophe im bau-Šhnlichen Typ in Fukushima (Japan) verstŠrkt im Rampenlicht steht. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
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APA3872038-2 – 01042011 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ZU APA 440 CI – THEMENBILD – Blick in die Kondensationskammer des Atomkraftwerkes Zwentendorf aufgenommen am Freitag, 01. April 2011. Dass …sterreichs Bevšlkerung im November 1978 gegen Atomkraft stimmte, bescherte dem Ort im Tullnerfeld ein Industriedenkmal, das jetzt unter dem Eindruck der Katastrophe im bau-Šhnlichen Typ in Fukushima (Japan) verstŠrkt im Rampenlicht steht. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
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ABD0008_20181030 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ++ ARCHIVBILD/THEMENBILD ++ Blick in den Steuerstabantriebsraum im Atomkraftwerks Zwentendorf, aufgenommen am 1. Oktober 2008. Vor 40 Jahren, am 05. November 1978, entschied sich die Mehrheit der …sterreicher gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf. (ARCHIVBILD VOM 1.10.2008) – FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
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ABD0003_20181030 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ++ ARCHIVBILD/THEMENBILD ++ Brennstabwechsel- und Lagerbecken im Atomkraftwerks Zwentendorf, aufgenommen am 1. Oktober 2008. Vor 40 Jahren, am 05. November 1978, entschied sich die Mehrheit der …sterreicher gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf. (ARCHIVBILD VOM 1.10.2008) – FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
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APA3872043-2 – 01042011 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ZU APA 440 CI – THEMENBILD – Blick in den Reaktorraum des Atomkraftwerkes Zwentendorf aufgenommen am Freitag, 01. April 2011. Dass …sterreichs Bevšlkerung im November 1978 gegen Atomkraft stimmte, bescherte dem Ort im Tullnerfeld ein Industriedenkmal, das jetzt unter dem Eindruck der Katastrophe im bau-Šhnlichen Typ in Fukushima (Japan) verstŠrkt im Rampenlicht steht. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
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ZU APA 114 – Das Atomkraftwerk im niederšsterreichischen Zwentendorf.   APA-Photo: Herbert Pfarrhofer
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ABD0002_20181030 – ZWENTENDORF – …STERREICH: ++ ARCHIVBILD/THEMENBILD ++ Au§enansicht des Atomkraftwerks Zwentendorf, aufgenommen am 1. Oktober 2008. Vor 40 Jahren, am 05. November 1978, entschied sich die Mehrheit der …sterreicher gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf. (ARCHIVBILD VOM 1.10.2008) – FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
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Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der abgeschalteten Atomkraftwerke in Deutschland trainieren hier den Abbau. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bekanntlich nach dem Reaktorunfall in Fukushima im Jahr 2011 den Ausstieg aus der Atomenergie durchgesetzt. Einzigartig auf der Welt ist wohl, dass auf dem Gelände des Atommeilers in Zwentendorf heute mittels einer großflächigen Photovoltaikanlage auf dem Dach des Reaktors und auf dem weitläufigen Gelände Ökostrom produziert wird. Passend dazu lautet die offizielle Adresse des AKW Zwentendorf: Sonnenweg 1.