Chronik

Häftlinge: Sicherheit bei Arztbesuchen verschärft

Das Justizministerium hat nach den jüngsten Fällen von geflüchteten Häftlingen die Sicherheitsvorkehrungen bei medizinischen Eskorten verschärft. Am Mittwoch fand zudem eine Schwerpunktaktion in den Justizanstalten statt. Von den drei Häftlingen fehlt jede Spur.

Drei entkommene Häftlinge binnen einer Woche in Niederösterreich, alle bei Spitalsbesuchen – mit dieser Bilanz sieht sich aktuell das Justizministerium konfrontiert. Nach der Flucht eines 16-jährigen Straftäters am Montag entkam am Dienstag ein weiterer und wie am Mittwoch bekannt wurde, war vergangene Woche auch eine Insassin aus Schwarzau (Bezirk Neunkirchen) untergetaucht – mehr dazu in Auch Insassin aus Schwarzau auf der Flucht (noe.ORF.at; 15.11.2023).

Das Justizministerium reagierte laut eigenen Angaben bereits mit Maßnahmen. „Alle Justizanstalten wurden angewiesen, medizinische Eskorten bis auf weiteres nur unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen“, hieß es in einer Stellungnahme.

Hafträume in 21 Justizanstalten durchsucht

Bei einer Schwerpunktaktion seien am Mittwoch zudem bundesweit in 21 Justizanstalten zahlreiche Hafträume durchsucht worden. Augenmerk gelegt wurde laut Ministerium u.a. auch auf Gegenstände, die zur Fluchtvorbereitung genutzt werden können. „Solche Aktionen werden in unregelmäßigen Abständen im gesamten Bundesgebiet durchgeführt und dienen der Stärkung und Aufrechterhaltung der Sicherheit in den Justizanstalten“, heißt es.

Darüber hinaus würden sicherheitsrelevante Vorfälle wie Fluchten „laufend evaluiert und es erfolgt ein multiprofessioneller Austausch auf verschiedensten Ebenen“. Genannt wurden u.a. Anstaltsleitungen sowie Sicherheitsbeauftragte in den Justizanstalten. Weiters erfolge ein Austausch mit anderen Behörden und europäischen Strafvollzugsverwaltungen. „Jeder einzelne Versuch wird genau analysiert, um aus diesen Erkenntnissen und Erfahrungen zu lernen und vorhandene Sicherheitsmaßnahmen entsprechend zu adaptieren bzw. Sicherheitseinrichtungen nachzurüsten.“ Ergebnisse fließen zudem in die Aus- und Fortbildung des Justizwachepersonals ein.

Justizministerium
ORF.at/Patrick Bauer
Sicherheitsrelevante Vorfälle werden „laufend evaluiert“, heißt es aus dem Ministerium

Das Justizministerium wies zudem darauf hin, dass zwischen Ausbruch (Flucht aus dem geschlossenen Bereich der Justizanstalt), Entweichung (Flucht aus dem nicht-geschlossenen Bereich der Justizanstalt oder Entziehen aus bewachtem/begleitetem Außenaufenthalt) und Nichtrückkehr (Entziehen aus unbewachtem Außenaufenthalt bzw. Ausgang) unterschieden wird. Die meisten Fluchten seien auf die Nichtrückkehr von gewährten Ausgängen zurückzuführen.

Insassin „von schlechter Nachricht aus der Bahn geworfen“

Auch die Insassin aus Schwarzau war von einem unbewachten stationären Aufenthalt nicht zurückgekehrt – im Gegensatz zu den beiden weiteren Fällen, die sich bei medizinischen Ausführungen ereignet hatten – mehr dazu in Erneut Häftling in Niederösterreich geflüchtet (noe.ORF.at; 14.11.2023).

Der Aufenthalt der Frau sei von der Vollzugsbehörde erster Instanz als unbewacht bewilligt worden, „da immer wieder Ausgänge zum Erhalt von sozialen Kontakten (wie z.B. mit den Kindern) erfolgten, von denen die Insassin immer ordnungsgemäß zurückkehrte“. Die Insassin „zeigte ein sehr gutes Vollzugsverhalten und wurde von einer schlechten Nachricht aus der Bahn geworfen“, wurde betont.

16-Jähriger und 35-Jähriger: Flucht aus Spital

Am Dienstagabend war ein 35-jähriger Insasse der Justizanstalt Stein im Rahmen eines Spitalbesuchs entkommen. Eine stundenlange Alarmfahndung nach dem russischen Staatsbürger im Raum Krems verlief negativ. Der Häftling saß in Stein laut Polizei eine Haftstrafe wegen unter anderem schweren Raubes ab.

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Polizisten bei Alarmfahndung nach Häftling
Stamberg/T. Wagner
200 Beamte waren am Dienstag bei der Alarmfahndung in Krems im Einsatz
Polizisten bei Alarmfahndung nach Häftling
Stamberg/T. Wagner
Der Häftling wurde zunächst im Bereich der Weinberge vermutet
Polizisten bei Alarmfahndung nach Häftling
Stamberg/T. Wagner
Dem Insassen der Justizanstalt Krems-Stein war offenbar bei einem Spitalsbesuch die Flucht gelungen
Polizeiauto bei Alarmfahndung
Stamberg/T. Wagner
Von dem Mann fehlte Dienstagabend weiterhin jede Spur

Vom am Montag während eines Krankenhausbesuchs in Wiener Neustadt entkommenen Insassen der Justizanstalt für Jugendliche in Gerasdorf (Bezirk Neunkirchen) machten am Dienstag offenbar aktuelle Instagram-Videos die Runde. Das Material wird von der Polizei geprüft. Eine Alarmfahndung nach dem 16-jährigen Afghanen war zu Wochenbeginn ebenfalls negativ verlaufen.

Fluchtversuche können „nicht gänzlich verhindert werden“

„Trotz verstärktem Einsatz von technischen Sicherheitseinrichtungen wie beispielweise Kameraüberwachung und strengen Vorschriften betreffend Haftraumkontrollen können vereinzelte Fluchtversuche bzw. Vorbereitungen von Insassinnen und Insassen nicht gänzlich verhindert werden“, hieß es weiter in der Stellungnahme des Justizministeriums.

Eine „Vielzahl der geplanten Ausbrüche“ könne jedoch durch „bauliche, technische und organisatorische Sicherheitseinrichtungen“ sowie die „aufmerksame Dienstverrichtung der Justizwachebediensteten“ verhindert werden, heißt es. Hat ein Insasse bereits einen oder mehrere Fluchtversuche unternommen, so würden für diese Person erhöhte Sicherheitsmaßnahmen im Strafvollzug gelten. Ist einem Häftling die Flucht gelungen, wird nach der Person gefahndet und es erfolgt eine Opferverständigung, informierte das Ministerium.

Gewerkschaft: Vorfälle nicht wegen Personalmangels

Albin Simma, Vorsitzender der GÖD-Justizwachegewerkschaft, sagte im APA-Gespräch, dass die Vorfälle unter „unglücklichen Umständen passiert“ seien. Die Forderung nach mehr Personal bestehe von Gewerkschaftsseite zwar bereits lange und auch weiter, die jüngsten Ereignisse hätten damit aber nichts zu tun. Kritisiert wurden von Simma vielmehr die aus seiner Sicht gestiegene Anzahl an Vorführungen von Häftlingen bei Ärzten und in Spitälern sowie die begleitenden Umstände.