Teppiche Teppichstickerei Friedrich Groß Siegharts
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„Menschen im Blickpunkt“

Österreichs letzte Teppichstickerei

Im Schloss Groß-Siegharts (Bezirk Waidhofen an der Thaya) befindet sich Österreichs letzte Teppichstickerei. Die 100 Jahre alten Stickmaschinen wollte man in den 1980er Jahren entsorgen. Sie wurden aber von Familie Friedrich gerettet, damit das Sticker-Handwerk weiterlebt.

„Keiner hat geglaubt, dass man mit dem alten Glumpert noch was anfangen kann“, erzählt Rudolf Friedrich Senior, „und gerade deshalb wollte ich allen beweisen, dass es doch geht!“ Als 1988 die Teppichfabrik Groß-Siegharts in Konkurs gegangen ist, schien auch das Ende der Teppichstickerei besiegelt.

Zum Alteisenpreis konnte Friedrich vier völlig desolate Stickmaschinen erwerben, die er mit viel Engagement wieder repariert hat: „Wir mussten auch improvisieren: Weil wir keine Maschine zum Garnspulenwickeln hatten, habe ich einfach selbst eine aus einer Bohrmaschine gebaut.“ Das Provisorium funktioniert übrigens heute noch. Mittlerweile ist es aber der 14-jährige Enkelsohn Thomas, der das Garn auf die Spulen für die Stickmaschinen wickelt.

Teppiche Teppichstickerei Friedrich Groß Siegharts
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Jeder Quadratmeter Teppich besteht aus 170.000 Wollfäden

Drei Generationen arbeiten zusammen

In der Teppichstickerei Friedrich arbeiten mittlerweile drei Generationen zusammen. Opa Rudolf ist in Pension. Er webt das Grundgewebe, auf das die Teppiche gestickt werden. Mutter Birgit arbeitet hauptberuflich als Pflegerin. Sie nutzt jede freie Stunde, um die Teppiche zu sticken. Vater Rudolf, der hauptberuflich als Dreher arbeitet, kümmert sich um Reparaturen und Organisation. Sohn Thomas zeigt Besuchern die Teppichstickerei und kann sich vorstellen, den Betrieb weiterzuführen: „Mittlerweile lässt mich die Mama schon an die Stickmaschine. Bis ich es aber so gut kann wie sie, wird es noch Jahre dauern.“

Im Gegensatz zum Weben und Knüpfen wird bei Sticken der Garn von der Stickmaschine ins Grundgewebe geschossen und sofort automatisch abgeschnitten. Jeder Quadratmeter Teppich besteht aus 170.000 einzelnen Wollfäden, die Noppen genannt werden. „Dafür brauche ich etwa 50 Stunden“, sagt Birgit Friedrich, „das heißt: Der Teppich, an dem ich gerade sitze und der acht Quadratmeter groß werden wird, wird wahrscheinlich in zwei bis drei Monaten fertig sein.“

Menschen im Blickpunkt: Teppichsticker-Familie Friedrich

Das Waldviertel war jahrhundertelang für seine Textilproduktion bekannt. Bis die meisten Betriebe in Billiglohnländer abgewandert sind. Ausgestorben ist damit in Österreich auch die Teppichstickerei. Mit einer Ausnahme: In Groß-Siegharts hält Familie Friedrich das Handwerk am Leben.

„Malen nach Zahlen“ mit Wollfäden

Jeder gestickte Teppich ist ein Unikat. Im Prinzip kann jede Zeichnung und jedes Foto auf das Grundgewebe als Vorlage übertragen werden. Mit der Stickmaschine werden dann die verschieden gefärbten Garne eingestickt: „Das ist ein bisschen wie bei Malen nach Zahlen“, schmunzelt Brigitte Friedrich, „ich habe einen Gashebel bei der Stickmaschine: bei großen Flächen kann ich schneller sticken, bei feinen Mustern dauert es länger.“

Im Rittersaal des Schlosses sind verschiedene Teppiche ausgestellt. Neben klassischen Mustern sieht man Spielkartenmotive als Wandteppiche, Familienwappen, Kinderzeichnungen und Teppiche mit Comicfiguren. „Im Prinzip ist jedes Motiv möglich“, freut sich Thomas Friedrich, der als jüngstes Mitglied der Stickerfamilie das alte Handwerk erhalten will.