Mit -25,4 Grad wurde am 4. Dezember die tiefste Temperatur des bisherigen Winters in Liebenau-Gugu an der oberösterreichisch-niederösterreichischen Grenze gemessen, in Schwarzau im Freiwald (Bezirk Gmünd) waren es -24,2 Grad.
Erst seit kurzem sind verlässliche Messdaten für den Freiwald verfügbar, denn der Meteorologische Dienst Geosphere Austria stellte im vergangenen Jahr drei neue Messstationen in der Region auf. Bislang sei man im Allgemeinen davon ausgegangen, dass das Ennstal oder der Lungau die kältesten Regionen Österreichs sind, sagt der Meteorologe Marco Kopecky von Geosphere Austria. Die aktuellen Messungen zeigen nun: Im Freiwald kommen noch tiefere Temperaturen vor.
Neue Messstationen zeichnen erstmals Kälterekorde auf
Im Herbst 2022 nahm Kopecky die erste Messstation in Schwarzau in einer Senke in Betrieb. Rasch wurde deutlich, dass die gemessenen Temperaturen immer wieder weit unter denen der umliegenden Messstationen liegen – mehr dazu in Warum es im Waldviertel oft kühler ist (noe.ORF.at; 16.11.2022). 2023 investierte die Geosphere dann in zwei weitere Messstationen in Liebenau-Gugu (Bezirk Freistadt/Gmünd) und Oberlainsitz (Bezirk Gmünd), ebenfalls in Senken. Beide Orte waren mit -23 bzw. -22 Grad zuletzt am 8. Dezember die kältesten Orte Österreichs.
Verantwortlich dafür ist ein besonderes Waldviertler Wetterphänomen: die sogenannten Kaltluftseen. Der Freiwald sei dafür prädestiniert, erklärt Kopecky. Kalte Luft ist schwerer als warme Luft. An den sanften Hängen des Freiwalds sinkt sie in kalten Nächten ab und sammelt sich in den Senken. „Die wichtigste Zutat für einen Kaltluftsee ist eine sternenklare Nacht, dann braucht es ein breites Tal mit sehr schwachem Gefälle, und der Wind muss schwach sein, sonst wird die Luft durchmischt und beim Auskühlen gestört“, erklärt der Meteorologe.
Massive Temperaturunterschiede auf kleinstem Raum
Wenn die Umstände stimmen, können in den Kaltluftseen Temperaturen bis -30 Grad gemessen werden. Jedoch ist das Phänomen äußerst kleinräumig. Schon am Rande von Senken können die Temperaturen mehr als 15 Grad wärmer sein. Ein gutes Beispiel sei die Messstation in Weitra (Bezirk Gmünd), sagt Kopecky: Weil die Stadtgemeinde auf einem Hügel liegt, ist es dort wesentlich wärmer als in den Senken. Waren es am 8. Dezember -22 Grad in Oberlainsitz, zeigte das Thermometer im sieben Kilometer entfernten Weitra nur noch -3 Grad an.
Das Naturphänomen Kaltluftsee hält sich allerdings nur wenige Nachtstunden. Sobald das Tageslicht die Luft erwärmt, verschwinden die Kaltluftseen. Auch Wind oder aufziehender Nebel, der die Lufttemperatur reflektiert, stören Kaltluftseen. Binnen Minuten könne das Thermometer nach oben klettern. An der Messstation Liebenau-Gugu etwa maßen die Meteorologen am 8. Dezember um 4.30 Uhr eine Temperatur von -23 Grad, kurze Zeit später viel der Wind ein, um 6.00 Uhr zeigte das Thermometer nur noch -9,4 Grad an.
Kaltluftseen sorgen auch im Sommer für Frost
Diese stark schwankenden Temperaturen kommen nicht nur im Winter vor. So kann es im Freiwald vorkommen, dass selbst im Hochsommer die Temperatur unter den Gefrierpunkt fällt. Die neuen Messstationen der Geosphere Austria im Freiwald sollen nun präzise Daten für die weitere Erforschung des Naturphänomens liefern, und die Wettervorhersagen für die Region verbessern.