Chronik

Entlassung von Fritzl „durchaus naheliegend“

Dass der im Inzestfall von Amstetten zu lebenslanger Haft verurteilte Josef Fritzl entlassen werden und künftig in einem Pflegeheim leben könnte, hält Strafrechtsexperte Alois Birklbauer für „durchaus naheliegend“. Fritzls Anwältin spricht von „tief empfundener Reue“.

Der Inzestfall hat 2008 die ganze Welt erschüttert: Josef Fritzl – mittlerweile hat er seinen Namen geändert – hielt seine eigene Tochter 24 Jahre im Keller seines Hauses gefangen und zeugte mit ihr sieben Kinder. Erst als ein Kind medizinische Hilfe benötigte, kam der Fall ans Tageslicht. 2009 wurde der damals 73-Jährige rechtskräftig zu lebenslanger Haft und zur Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, also in den Maßnahmenvollzug, verurteilt.

Laut eines neuen psychiatrischen Gutachtens liegen die medizinischen Unterbringungsvoraussetzungen des Gesetzes nun aber nicht mehr vor – von dem inzwischen 88-Jährigen gehe keine Gefahr mehr aus, heißt es, er sei dement. Das Gericht entscheidet ausgehend davon jetzt, ob Fritzl vom Maßnahmen- in den Normalvollzug verlegt werden kann.

In weiterer Folge steht auch eine bedingte Entlassung im Raum. Denn: Zu lebenslanger Haft Verurteilte im Normalvollzug können nach Verbüßung von 15 Jahren erstmals eine bedingte Entlassung beantragen. Im Fall von Fritzl ist diese Voraussetzung seit 2023 erfüllt.

Drei Monate Vorbereitungszeit möglich

Es sei „durchaus naheliegend, dass eine Entlassung ausgesprochen wird“, meint Alois Birklbauer, Professor für Strafrecht an der Johannes Kepler Universität Linz im Interview mit noe.ORF.at. „Die ist nach Verbüßung von mindestens fünfzehn Jahren möglich, das zeitliche Erfordernis haben wir erreicht. Es setzt auch voraus, dass mit Wahrscheinlichkeit keine strafbaren Handlungen mehr zu erwarten sind.“ Diese seien laut des neuen Gutachtens nicht zu erwarten – „insofern ist es durchaus naheliegend“, so der Experte.

„Die schwierige Situation ist natürlich, dass so eine Entlassung einen sogenannten sozialen Empfangsraum benötigt, in den entlassen werden kann“, so Birklbauer. „So gibt es beispielsweise auch die Möglichkeit, die Entlassung für eine Frist von maximal drei Monaten auszusprechen, sodass drei Monate Vorbereitungszeit besteht, um einen sozialen Empfangsraum zu schaffen. Diese Möglichkeit würde dem Gericht offen stehen, weil natürlich so ein Pflegeplatz, den er vielleicht benötigt, auch organisiert werden muss. Das geht meistens nicht von heute auf morgen.“

Die Grundlage für die Entscheidung des Senats sei jedenfalls das Gesetz und nicht die öffentliche Meinung, betont der Experte. „Wir haben hier eine umfassende empirische Studie gemacht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gerichte weitgehend bereit gewesen sind, die Erleichterung der bedingten Entlastung auszusprechen, wenn es der Gesetzgeber vorsieht. Und insofern glaube ich, dass durchaus Bereitschaft besteht bei den Gerichten, das Gesetz umzusetzen. Ansonsten müsste das Gesetz geändert werden.“

Anwältin spricht von „tief empfundener Reue“

Klar ist: Fritzls Anwältin Astrid Wagner fordert die Entlassung. Gegenüber noe.ORF.at sagte sie: „Mein Mandant hat ein Recht und das gebietet die Menschenwürde, ein Recht, entsprechend behandelt zu werden. Das ist meines Erachtens nur möglich in einem Pflegeheim und nicht in einer Justizanstalt.“ Zu seinem Zustand meinte Wagner: „Es hat bei meinem Mandanten ein körperlicher Abbau stattgefunden, auch ein kognitiver Abbau.“ Er sei nicht schwer dement, habe aber Realitätsverzerrungen, so die Verteidigerin.

Wagner zeigte sich gegenüber noe.ORF.at überzeugt davon, dass Fritzl „eine ehrliche, echte, tief empfundene Reue“ verspüre. „Ich bin, das muss ich sagen, überzeugt: Natürlich bereut er, was er getan hat und vor allem, was er seiner Familie angetan hat. Also nicht bereut, weil er im Gefängnis ist, sondern er bereut es ganz einfach, dass er eigentlich sein schönes Leben, das er hatte, eben so zerstört hat, in dem er seiner Familie etwas angetan hat.“