Stadttheater Mödling Szenenbild Good mit Wolfgang Lesky
Bettina Frenzel
Bettina Frenzel
Kultur

„Good“ als richtiges Stück zur richtigen Zeit

Bruno Max hat einen Riecher für das richtige Stück zum richtigen Zeitpunkt: Im Stadttheater Mödling inszeniert er die deutschsprachige Erstaufführung von „Good. Ein guter Mensch.“ des schottischen Autors C. P. Taylor als Beitrag zur Vergangenheits- und Gegenwartsaufarbeitung.

Das 1981 uraufgeführte Stück Taylors (1929-1981) erzählt die Geschichte des ursprünglich liberal denkenden Germanisten Hans Halder, der Schritt für Schritt den schmeichelnden Versuchungen des nationalsozialistischen Systems erliegt und allmählich alle seine moralischen Prinzipien über Bord wirft.

Als überforderten Protagonisten verkörpert ihn Wolfgang Lesky, privat eingeklemmt zwischen einer ebenso dementen wie herrschsüchtigen Mutter (Johanna Lindinger), einer depressiven Ehefrau (Lisa-Marie Bachlehner), einer jungen Geliebten (Samantha Steppan) und nicht zuletzt seinem besten Freund, dem jüdischen Arzt Moritz (Alexander Rossi), den er schließlich schmählich im Stich lässt. Die Premiere am Samstagabend wurde akklamiert, schreibt Ewald Baringer in seiner Kritik in der Austria Presse Agentur.

Stadttheater Mödling Szenenbild Good  mit Wolfgang Lesky Samantha Steppan und Lisa-Marie Bachlechner v.l.
Bettina Frenzel
In „Good“ wird die Realität nach Gutdünken verharmlosend zurechtgebastelt: Wolfgang Lesky, Samantha Steppan und Lisa-Maria Bachlechner (v.l.)

Marcus Ganser und Sam Madwar gestalteten den Bühnenhintergrund mit Videos, die von Schattenrissen bis zur Bücherverbrennung Plakatives veranschaulichen. Bruno Max, Intendant des Theaters zum Fürchten und Übersetzer von „Good“, belässt die Mitwirkenden oft auf der Bühne, rückt sie erst durch die Beleuchtung wieder in Aktion. Am Schluss fährt Halder, der in vielen Lebenssituationen innerlich Musik hört, nach Auschwitz und wird dort von einem Häftlingsorchester begrüßt: mit Schubert.

„Good“ mit einem beklemmend aktuellen Anstrich

In Taylors Lehrstück bedarf nichts der Interpretation, die Sachlage ist evident und wird konsequent durchgespielt anhand des durch Karrieredenken und Hilflosigkeit korrumpierten Protagonisten, der sich die Realität nach Gutdünken verharmlosend zurechtbastelt und zuletzt als konsequenter Mitläufer vom akademischen Anzug in die SS-Uniform wechselt. Schlüssig erscheint die psychologische Grundierung dieser Anfälligkeit: mangelndes Selbstvertrauen, Kontaktarmut und der Wunsch, es allen recht zu machen.

Dass manche Abgründe, die lange Zeit unvorstellbar waren, aktuell wieder näherrücken, verleiht „Good“ einen beklemmend aktuellen Anstrich. Wie schreibt doch Bruno Max treffend im Vorwort des Programmhefts: „Der nächste Faschismus wird freundlichere Symbole, ein harmloseres Gesicht haben und für die breite Mehrheit ganz vernünftig und nach gesundem Menschenverstand klingen. Er wird wählbar sein. Und es wird außerordentlichen Mut brauchen, nicht wieder zu sagen: ‚Was kann ich als Einzelner schon dagegen tun?‘“