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Chronik

K.-o.-Tropfen: Die unsichtbare Gefahr

Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt warnt vor Vorfällen mit K.-o.-Tropfen. Ob diese steigen, lasse sich laut Polizei kaum sagen. Weil die Substanz vom Körper rasch abgebaut wird, fehlen Daten. Beratungsstellen berichten jedoch von einer hohen Dunkelziffer.

Mit einer eindringlichen Warnung vor K.-o.-Tropfen und damit verbundenen Sexualstraftaten wendete sich die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vor wenigen Tagen an die Öffentlichkeit. In unbeobachteten Momenten würden Täter immer wieder K.-o.-Tropfen in Getränke von Frauen mischen. In höheren Dosen bewirkt das eine Art „Filmriss“ – die Betroffenen können sich danach an vieles nicht mehr erinnern und sind in in ihrem Bewusstsein eingeschränkt.

Diese Delikte stellten die Ermittlungsbehörden „vor große Herausforderungen“, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Das bestätigt auch das Landeskriminalamt: „Das Problem ist, dass diese Substanzen nur relativ kurze Zeit im Urin oder im Blut nachweisbar sind“, so Peter Reiter von der Abteilung Kriminalprävention des Landeskriminalamtes.

Nach sechs Stunden nicht mehr nachweisbar

In vielen Fällen ist die Substanz nach sechs Stunden bereits abgebaut, spätestens nach zwölf. „Oft ist auch Alkohol im Spiel oder andere Substanzen und es ist im Nachhinein sehr schwer, hier einen Rückschluss zu ziehen oder es tatsächlich nachzuweisen.“ Dazu kommt, dass Frauen den Täter oft nicht benennen könnten, sagt Elisabeth Cinatl, Vorsitzende des Netzwerks Österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen. „Das macht es schwierig, über etwas zu sprechen, wenn ich mir in der eigenen Wahrnehmung nicht mehr vertrauen kann.“

Für eine erfolgreiche Beweisführung wäre es im Verdachtsfall allerdings sehr wichtig, so rasch wie möglich Anzeige zu erstatten, sodass eine rechtzeitige Sicherung und Auswertung von Blut- und Urinproben und eine körperliche Untersuchung des Opfers auf Missbrauchs- und Gewaltspuren angeordnet werden könne, so die Staatsanwaltschaft.

Warnung vor K.o.-Tropfen

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Wirkung kann zum Tod führen

Die Wirkung von K.o.-Tropfen sei ähnlich jener von Alkohol, nur setzt sie viel schneller und plötzlicher ein, schildert Cinatl. Der Körper reagiere vom einen auf den anderen Moment nicht mehr so wie gewohnt. Daran könnten auch Begleiterinnen und Begleiter erkennen, dass möglicherweise der Betroffenen etwas ins Glas geschüttet wurde.

Die Substanzen können im Körper unter Umständen massive Schäden verursachen. Das könne bis zum Tod gehen, sagt Cinatl: „Ein Täter nimmt in Kauf, dass eine Frau ermordet wird.“ Häufig sei das Motiv hinter solchen Taten Machtmissbrauch, Gewalt an einer wehrlosen Frau und Vergewaltigung.

In Verdachtsfällen sollte so schnell wie möglich die Polizei oder Rettung verständigt werden. Auch die zehn Frauen- und Mädchenberatungsstellen in Niederösterreich dienen als Anlaufpunkte. Auch die Fachberatung sexualisierte Gewalt in Niederösterreich, der Verein Wendepunkt, hilft betroffenen Frauen. Das wichtigste sei, darüber zu sprechen, sagt Cinatl.

Fälle zu erfassen ist schwierig

Weil K.o.-Tropfen aber selbst für Betroffene nicht immer eindeutig erkennbar sind, ist die Datenlage schwierig. Österreichweit könne man die genauen Delikte mit K.-o.-Tropfen kaum statistisch erfassen, heißt es seitens der Landespolizeidirektion Niederösterreich. Im Jahr 2022 habe man bundesweit 114 Fälle mit dem Delikt Betäubungsmittel registriert, davon 17 in Niederösterreich. Darunter fällt allerdings auch der Missbrauch von Suchtgiften oder Medikamenten.

Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt macht die Problematik anhand anderer Daten fest: Die Anzahl der Verfahren gegenüber unbekannten Tätern im Bereich der Zuständigkeit der Landesgerichte sei im vergangenen Jahr um 21 Prozent auf 4.100 angestiegen, erläutert Staatsanwalt Erich Habitzl. In den Bezirksgerichten sind es um tausend Fälle mehr geworden. Aber auch hier sind die Daten nur bedingt aussagekräftig. Fälle mit K.-o.-Tropfen machen nur einen Teil dieser Verfahren aus, ebenfalls darunter fallen etwa auch Betrugsmaschen, wie der „Enkel-“ oder „Polizeitrick“.

Frauenberaterin Cinatl im Gespräch

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Night-Caps, Armbänder und Freunde als Prävention

Damit es gar nicht erst zu Verdachtsmomenten kommt, empfehlen Polizei und Beratungsstellen einige Tipps: Das Wichtigste ist laut Reiter, das Getränk nicht aus den Augen zu lassen oder nur Getränke zu konsumieren, die verschließbar sind. Falls man – wie in vielen Clubs und Bars üblich – Gläser bekommt, gibt es auch sogenannte „Night Caps“, die über das Getränk gestülpt werden können und so für etwas mehr Sicherheit sorgen. „Hier könnte man auch an die Gastronomie appellieren, dass Lokale diese vielleicht von sich aus anbieten“, sagt Reiter.

Ebenso erhältlich sind Testbänder, die auf den Wirkstoff GHB, auch bekannt als Liquid Ecstasy, testen – mehr dazu in K.-o.-Trop­fen: Testbänder für sicheres Feiern testen (noe.ORF.at, 16.1.2024). Diese können beim Fortgehen getragen werden und ermöglichen ein selbstständiges Testen des Getränks auf K.-o.-Tropfen.

Drink Cap gegen k.-o.-Tropfen
Verein Coming Home Safe
Sogenannte „Night Caps“ helfen dabei, das Feiern sicherer zu machen

Zusätzlich gebe es auch das Codewort „Ist Luisa da?“ mit dem sich Betroffene, die sich unwohl fühlen, an das Barpersonal wenden können, erklärt Cinatl: Viele Gastronomieunternehmen hätten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dahingehend geschult, sich in diesen Fällen um die Betroffenen zu kümmern.

„Niemand bleibt zurück“

Außerdem sollte man auf die Art der Gesellschaft Acht geben, sagt Reiter: „Mit wem bin ich unterwegs? Kenne ich diese Leute alle oder sind da Leute dabei, die ich nicht einschätzen kann, denen ich vielleicht nicht vertraue?“ Sich auszumachen, zusammen zu bleiben und auch gemeinsam nachhause zu fahren, kann helfen, sich sicherer zu fühlen und Gefahrensituationen zu vermeiden, betont auch Cinatl, es gelte: „Niemand bleibt zurück.“