Angeklagter im Gerichtssaal
APA/Sophia Killinger
APA/Sophia Killinger
Gericht

Haftstrafe nach Messerattacke auf Taxilenker

Nach einem brutalen Messerangriff auf einen Taxifahrer in Breitenfurt (Bezirk Mödling) ist einem 28-Jährigen am Dienstag der Prozess gemacht worden. Der Angeklagte soll das Opfer lebensgefährlich verletzt haben. Das nicht rechtskräftige Urteil lautet 19 Jahre Haft.

Der in Tschetschenien geborene Beschuldigte soll am 11. September vergangenen Jahres in den frühen Morgenstunden laut Staatsanwaltschaft „unvermittelt“ mit einem Klappmesser von hinten auf den Taxilenker eingestochen haben. Am Landesgericht Wiener Neustadt wurde er am Dienstag zu 19 Jahren Haft verurteilt und zudem in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen. Er wurde wegen versuchten Mordes sowie wegen schweren Raubes, Sachbeschädigung und wegen eines Vergehens nach dem Waffengesetz schuldig gesprochen.

Die Frage nach versuchtem Mord wurde von sieben der acht Geschworenen bejaht. Dem Opfer wurden 14.722 Euro zugesprochen. Mildernd wirkten sich bei der Strafbemessung der Versuch und das Geständnis aus. Erschwerend waren die „äußerst brutale und heimtückische Vorgehensweise“ und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und zwei Vergehen, sagte die vorsitzende Richterin Birgit Borns. Weil die Verteidigung keine Erklärung abgab, ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Opfer wurde schwer verletzt gefunden

Der damals 49-Jährige war nach dem Angriff aus dem Fahrzeug gesprungen und hatte die Tür zugehalten, um den Angreifer am Aussteigen zu hindern. Der 28-Jährige verließ den Wagen auf der anderen Seite, es folgte ein Kampf hinter dem Auto. Der Angeklagte soll auf den am Boden liegenden Mann eingestochen haben, ehe ihm die Stichwaffe entrissen wurde. Daraufhin soll der Beschuldigte das Opfer mit einem Stanleymesser attackiert haben.

Der Lenker schaffte es dann wieder zurück in den Wagen und fuhr los. Der 28-Jährige soll durch das offene Fenster weiter zugestochen haben. Der Pkw kam von der Straße und blieb seitlich im Graben liegen. Der Beschuldigte soll nachgelaufen sein und den Chauffeur nach dem Unfall noch mit Pfefferspray besprüht haben. Dann kletterte der Angeklagte in den Wagen und raubte den Rucksack des Lenkers, in dem sich u.a. Zigaretten und eine Getränkedose befanden.

Das Opfer konnte noch den Notrufknopf drücken, es wurde blutüberströmt zurückgelassen und von der Feuerwehr befreit. „Ich habe gedacht, ich sterbe“, sagte der Mann. Dann habe er das Bewusstsein verloren. Der lebensgefährlich verletzte 49-Jährige wurde in Wien notoperiert.

Angeklagter gestand alle Vorwürfe

Der 28-Jährige bekannte sich in der Geschworenenverhandlung zu allen Anklagepunkten – auch zu Sachbeschädigung und einem Vergehen nach dem Waffengesetz – schuldig. Ab dem Alter von 18 Jahren hatte der Mann seinen Angaben zufolge zunächst täglich Cannabis und später Speed konsumiert. „Drei Monate vor der Verhaftung habe ich aufgehört“, berichtete der Mann. Danach habe er Tabletten genommen. In der Nacht der Tat habe er zwei Messer, einen Pfefferspray, einen Schlagring und einen Bohrer in eine Tasche gepackt und die Wohnung verlassen, erzählte der Angeklagte. „Ich bin im Wald spazieren gegangen und beim Zurückgehen nach Hause habe ich ein Taxi gesehen“, sagte er. Da habe er beschlossen, den Taxilenker auszurauben. Mit diesem Gedanken habe er bereits seit einigen Jahren gespielt.

Während der Fahrt von Mödling nach Breitenfurt habe er sich zunächst mit dem Chauffeur unterhalten, dann „habe ich ein Messer herausgenommen und ein paar Mal von hinten zugestochen“, schilderte der 28-Jährige den Beginn des Angriffs: „Ich konnte mich nicht kontrollieren.“ Als sich der Lenker schließlich schwer verletzt im Auto befand und der Angeklagte Sirenen hörte, machte er sich aus dem Staub: „Ich dachte, er ist schon tot.“ Der 28-Jährige wurde nach mehrmaliger Fahndung, bei der auch ein Polizeihubschrauber, Drohnen und Diensthunde eingesetzt waren, zwei Tage nach der Tat in Mödling festgenommen.

Zurechnungsfähig, trotz Persönlichkeitsstörung

Eine schlüssige Erklärung für die Attacke konnte der Angeklagte nicht geben. Nach mehrmaligem Nachfragen nannte er Geldmangel. Mit der Beute wollte er „Drogen kaufen und gambeln“. Von Geld sei keine Rede gewesen, der Angreifer habe „nur zugestochen“, berichtete das Opfer. Warum der 28-Jährige ein Loch in den Tank des Taxis gebohrt hatte, konnte er ebenfalls nicht begründen. „Ich sehe nicht einen Funken Reue“, stellte die vorsitzende Richterin Birgit Borns fest.

Laut einem Gutachten des Psychiaters Manfred Walzl leidet der Angeklagte an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, ist aber zurechnungsfähig. „Er will seine kriminellen Ideen um jeden Preis durchsetzen“, zudem lerne der 28-Jährige nicht aus Bestrafung, sagte der Sachverständige. Der Tablettenkonsum habe keine wesentliche Rolle gespielt. Aufgrund der Tathandlung, der Vorgeschichte und des Lebenslaufs seien wegen der schwerwiegenden und nachhaltigen Erkrankung neuerliche Taten bis hin zum Mord zu befürchten. Walzl empfahl eine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum.

Der Verteidiger verwies ebenfalls auf die „tiefgreifende psychische Erkrankung“ seines Mandanten und meinte, das Motiv sei angesichts der Beute „lächerlich“. Die Tat sei trotz geordneter sozialer Verhältnisse passiert. Der unbescholtene Angeklagte ist verheiratet, Vater eines Kleinkindes, hatte zuletzt in Wien gewohnt und als Staplerfahrer gearbeitet. Seine Staatsangehörigkeit ist ungeklärt.

Taxifahrer erlitt bleibende Schäden

Der Taxifahrer erlitt laut Gutachter Wolfgang Denk rund 35 Stich-und Schnittwunden. Zwei Stiche durchtrennten die linke Wange, ein weiterer traf die rechte seitliche Brustwand mit Durchstich einer Rippe und einer einen Handmuskel. Zum Teil seien die Verletzungen durch die Gegenwehr entstanden.

Das Opfer leidet laut der Privatbeteiligtenvertreterin nach wie vor an den psychischen und körperlichen Folgen des Angriffs. „Seit dem Vorfall bin ich zuhause im Krankenstand“, sagte der Mann, der in Abwesenheit des Angeklagten befragt wurde: „Rausgehen ist schwer, ich habe Angst“, er müsse sich immer vergewissern, dass hinter ihm niemand ist. Seinen Beruf werde er deshalb nicht mehr ausüben können. Er mache Physio- und Psychotherapie. Laut Walzl leidet er an einer Anpassungsstörung. Gefordert wurden mehr als 14.700 Euro an Schmerzensgeld. Die Summe wurde vom Angeklagten anerkannt.

Die Staatsanwältin beantragte im Schlussvortrag einen anklagekonformen Schuldspruch und eine Einweisung. Der Verteidiger ersuchte um eine kurze Haftstrafe und bezeichnete den Maßnahmenvollzug als „Chance“ für seinen Mandanten. Der Alltag des Opfers „hat sich komplett geändert“, hielt die Privatbeteiligtenvertreterin fest. „Es tut mir leid, was ich getan habe“, meinte der Angeklagte in seinen Schlussworten. Die Geschworenen zogen sich anschließend zur Urteilsberatung zurück.