Als Förster Gerhard Blabensteiner aus Schönbach (Bezirk Zwettl) vergangene Woche eine Fichte entrindete, staunte er nicht schlecht: Unter der Rinde fand er ein gleichmäßiges, rautenförmiges Muster – mehr dazu in Rätsel um „gemusterte“ Fichte im Waldviertel (noe.ORF.at; 12.4.2024).
Rasch wurden im Waldviertel Vermutungen über einen übernatürlichen Ursprung angestellt, gar Spekulationen über einen keltischen Hintergrund gab es. Alles Unsinn, sagt Holztechnologe Rupert Wimmer vom Standort der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Tulln, es handle sich um das seltene Vorkommen von sogenanntem Wulstholz.
Wülste geben zusätzliche Stabilität
Wulstholz könne bei Nadelbäumen in sehr wind- und wetterexponierter Lage gebildet werden, sagt Wimmer. Häufig wechselnde Windrichtungen oder besonders hohe Schneelast setzten den Hölzern zu und behinderten das Wachstum, erklärt Wimmer: „Die Holzfasern werden durch die hohen Spannungen gestaucht.“
Der Baum versuche die Spannungen auszugleichen, in dem er zusätzliche Zellen in Wulstform bilde. „Das ist ein elastisches Holz, das die Biegsamkeit erhöht“, erklärt Wimmer. Die Wülste funktionierten wie elastische Scharniere, die den Baum mit einer höheren Biegsamkeit und Stabilität ausstatten.
Rautenform verläuft an Spannungslinie
Das Rautenmuster entsteht dabei als Laune der Natur. „Setzt man einen Baum unter Spannung und misst diese, sieht man, dass die Spannungslinie rautenförmig um den Baum verläuft“, erklärt Wimmer. Die Waldviertler Fichte hat die Wülste also genau dort gebildet, wo die Spannung am stärksten war. Von außen sieht man sie übrigens kaum, erst wenn der Baum entrindet ist, wird das Wulstholz sichtbar.
Wissenschaftlich beschrieben wurde Wulstholz bereits in den 1940er Jahren, das Phänomen kommt allerdings nur selten vor. Für die Verarbeitung hat das Holz in der Regel wenig Wert, meint Wimmer, da durch die wechselnden Spannungen das Wachstum ungleichmäßig verlief.