Chronik

Kind in Hundebox: Vater ortet Behördenfehler

Im Fall jenes Kindes, das von seiner Mutter fast zu Tode gequält wurde, ist zuletzt auch die Verantwortung der Behörden in den Fokus geraten. Gegenüber noe.ORF.at nahm nun erstmals der Vater Stellung. Er kritisierte etwa, zu spät von den Vorfällen erfahren zu haben.

Sechs Tage bevor der Bub in lebensbedrohlichem Zustand ins Spital gebracht wurde und beinahe starb, hatte der obsorgeberechtigte Vater erstmals von Problemen mit seinem Sohn erfahren – aber nicht von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya, sondern von der Schule. Zuvor habe er den Buben etwa ein halbes Jahr nicht gesehen, weil ihn die Mutter „sozial isoliert“ habe.

Das Martyrium des Buben begann im September 2022. Über die Sommerferien verlor er fast 30 Kilogramm, seine Lehrerinnen waren in Sorge, bei der Kinder- und Jugendhilfe gingen binnen weniger Tage zwei Gefährdungsmeldungen ein – eine vonseiten der Schule und eine aus dem Spital. Vater Andreas erfuhr davon lange Zeit nichts, bis sich völlig unerwartet die Vertrauenslehrerin seines Sohnes meldete.

Interview Vater Missbrauchsfall Hundebox
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Im Gespräch mit noe.ORF.at sieht Vater Andreas mehrere Fehler bei den zuständigen Sozialarbeitern

„Viel Gewicht verloren“

Er sei informiert worden, dass sein Kind „viel Gewicht verloren hat, viele Fehlzeiten in der Schule hat und die Mutter umziehen will“. Der Grund, warum sich die Schule an den Vater wandte, sei gewesen, dass die Schule ihre Beobachtungen „dem Jugendamt gemeldet hat, eine Gefährdungsmeldung gemacht hat und das Jugendamt aus ihrer Sicht zu wenig getan hat“.

Deshalb wandte sich der Vater an die Behörde und wies dort darauf hin, dass ihn sein Sohn laut Schule wieder sehen wolle. Der Sozialarbeiter habe darauf geantwortet, dass der Kindesmutter aufgetragen worden sei, mit dem Vater den Kontakt zu suchen, was allerdings nicht erfolgt sei. Auf die Frage des Vaters, „warum da keiner nachfragt“, habe er die Antwort bekommen, sie hätten geglaubt, „dass wir uns eh alles ausgemacht haben, weil wir ja eine gemeinsame Obsorge hatten“.

Keine persönliche Kontaktaufnahme

Dabei hielt die Behörde damals in einem Gesprächsprotokoll selbst fest, dass eine persönliche Kontaktaufnahme mit beiden Erziehungsberechtigten notwendig sei. Zudem gab der Bub gegenüber der Schule an, dass ihm seine Mutter jeglichen Kontakt zum Vater verwehre. Auch der Vater hätte damals sofort mehr unternehmen können, aber er habe „auch nicht gewusst, dass es so bedrohlich ist“, wie er gegenüber noe.ORF.at schilderte.

Interview Vater Missbrauchsfall Hundebox
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In einem Protokoll hielt die Behörde fest, dass eine persönliche Kontaktaufnahme mit beiden Erziehungsberechtigen nötig sei

Am Montag wurde bekannt, dass der Opferanwalt das Land Niederösterreich in die Verantwortung nehmen möchte und außergerichtlich 150.000 Euro Schmerzensgeld fordert – mehr dazu in „Opferanwalt will 150.000 Euro vom Land“ (noe.ORF.at; 15.4.2024). Das Land hat nun drei Monate Zeit, sich dazu zu äußern.

Keine Gefahr in Verzug?

Unverständlich ist für den Vater auch die Reaktion der zuständigen Sozialarbeiter auf die Gefährdungsmeldungen, wie er sagte: „Wenn ich eine Gefährdungsmeldung von einer öffentlichen Einrichtung bekomme, in der der massive Gewichtsverlust eines Kindes steht, wenn mehrmals darauf hingewiesen wird, dass das Kind Essen stiehlt und Hunger hat, dann muss ich das doch abklären, wenn ich dort hingehe und einen Hausbesuch mache“, so die Kritik des Vaters.

Die Spitalsärzte hielten in der zweiten Gefährdungsmeldung fest, dass es „ohne Abklärung und Therapie zu einer irreversiblen Schädigung der Arme und Beine des Kindes kommen“ kann. Der zuständige Sozialarbeiter sah trotzdem keine Gefahr in Verzug. Eine Einschätzung, die dem Kindsvater unverständlich ist: „Wenn ich das selbst nicht beurteilen kann, muss ich einen Arzt mitnehmen. Was bedeutet Gefahr in Verzug, wenn nicht in diesem Fall?“

Schlechter Zustand für Laien erkennbar

Auch der medizinische Gutachter vor Gericht meinte, dass das schlechte gesundheitliche Befinden des Buben sogar Laien hätte auffallen müssen. Denn nur vier Tage nach dem Hausbesuch wurde das Kind in lebensbedrohlichem Zustand ins Spital eingeliefert und wäre beinahe gestorben. Die Mutter sowie eine Freundin, die sie angestiftet haben soll, wurden Ende Februar am Landesgericht Krems nicht rechtskräftig zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

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Laut der Gefährdungsmeldung des Spitals droht dem Buben ohne Behandlung „eine irreversible Schädigung der Arme und Beine“

Fehler können zwar passieren, betonte der Vater im Interview, aber man sollte daraus lernen. Das Land wollte mögliche Missstände mit einer Untersuchungskommission aufklären, das ist bisher aber am Datenschutz gescheitert. Der Vater kritisierte: „Es ist nie jemand an mich herangetreten, ich hätte jeden von der Schweigepflicht oder von der Amtsverschwiegenheit entbinden können für die Kommission. Das hätte ich sofort gemacht.“

Fall wird nochmal geprüft

Laut Recherchen von noe.ORF.at soll man sich beim Land mittlerweile der Fehler bewusst sein, offiziell wollte dazu niemand eine Stellungnahme abgeben. Der Fall werde intern nochmals geprüft, hieß es aus dem Büro der zuständigen Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ), diese Prüfung sei in der Finalphase. Für Königsberger-Ludwig sei die neuerliche Prüfung von „höchstem Interesse“.

Mit dem Vater habe seitens des Landes bisher jedenfalls niemand Kontakt aufgenommen. Dabei würde das „durchaus helfen, weil ich immer das Gefühl habe, dass es eh keinen interessiert“, wie der Vater feststellte, „man schaut, dass man so gut als möglich aus der Sache wieder herauskommt. Dieses Gefühl habe ich.“

Sein Sohn habe sich vom Martyrium mittlerweile etwas erholt, sagte er: „Er wird damit leben können oder er wird lernen müssen, damit zu leben. Aber wir sind auf einem guten Weg, und man sieht von Monat zu Monat, dass es besser wird und dass er auch wieder mehr Selbstvertrauen bekommt.“