Dauerpräsentation „Die Synagoge und ihre Gemeinde“
NÖ Museum Betriebs GmbH, Daniel Hinterramskogler
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Kultur

St. Pölten: Ehemalige Synagoge eröffnet

Nach umfassender Renovierung und Adaptierung zu einem Kulturzentrum ist die ehemalige Synagoge in St. Pölten am Donnerstagabend mit einem feierlichen Festakt wiedereröffnet worden. Sie soll nun ein Ort für Ausstellungen, Geschichtsvermittlung und Erinnerungskultur sein.

Vom Gotteshaus zum Kultur- und Begegnungszentrum: Das 1913 entstandene Jugendstiljuwel der Architekten Theodor Schreier und Viktor Postelberg präsentiert sich nun im neuen Glanz. Damit werde nicht nur ihr materielles Fundament dauerhaft erhalten, so Martha Keil, wissenschaftliche Leiterin der ehemaligen Synagoge St. Pölten, in ihrer Eröffnungsrede.

„Damit wird aber auch die Geschichte ihrer vernichteten jüdischen Gemeinde vor dem Vergessen bewahrt. Und schließlich wird eine Kulturstätte geschaffen, die Menschen, gleich welcher Herkunft und Religion, einlädt, einander auf vielfältige Weise zu begegnen und kennenzulernen“, so Keil.

Mikl-Leitner: „Zentraler Ort des Erinnerns und Lernens“

Mit der Neugestaltung der ehemaligen Synagoge sei das Versprechen verknüpft, dass in Niederösterreich niemals vergessen werde, „was hier und an anderen Orten geschehen ist“, sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in ihrer Ansprache zur Bedeutung dieses Hauses. „Das Versprechen, dass der Kampf gegen Antisemitismus als Staatsräson nicht verhandelbar ist. Die ehemalige Synagoge wird zu einem zentralen Ort des Erinnerns und des Lernens in unserem Land.“ In Bezug auf den steigenden Antisemitismus versicherte Mikl-Leitner in Niederösterreich eine „Null-Toleranz-Politik“.

Wiedersehen mit Geschichte: Die Wiedereröffnung der Synagoge

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Es sei unsere Verantwortung, die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der Geschichte Österreichs wachzuhalten, ergänzte Nationalratspräsident und Vorsitzender des Komitees des Nationalfonds Wolfang Sobotka (ÖVP) am Donnerstagabend beim Festakt. „Denn Antisemitismus ist nicht nur eine Bedrohung für die jüdische Gemeinde, sondern für unsere gesamte Demokratie.“ Mit dem Blick auf den aktuell weltweit steigenden Antisemitismus und in Bezug auf die Renovierungsarbeiten der ehemaligen Synagoge sagte Sobotka: „Das Renovieren ist das Äußere, was wir heute renovieren müssen ist unsere Haltung.“

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) betonte den Schutz der jüdischen Bevölkerung, dieser sei besonders wichtig. „Es ist wichtig als Gesellschaft und als Polizei das jüdische Leben sichtbar zu machen und nach Außen zu tragen.“

Deutsch: „Synagoge wird zu einem Zeitzeugen“

Die während der nationalsozialistischen Novemberpogrome 1938 schwer beschädigte Synagoge wurde 1954 von der Stadt St. Pölten an die Israelitische Kultusgemeinde Wien als Rechtsnachfolgerin der ausgelöschten jüdischen Gemeinde von St. Pölten restituiert. Das Gebäude verfiel in den folgenden Jahren zusehends, ein Abriss – wie in Krems erfolgt – konnte jedoch verhindert werden. Stadt, Land und Bund ermöglichten eine erste Restaurierung von 1980 bis 1984.

Im Rahmen des Projekts „Kultur St. Pölten 2024“ wurde nach neuerlicher zweijähriger Renovierung nun auch ein neues Nutzungskonzept auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse des im ehemaligen Kantorhaus befindlichen Instituts für jüdische Geschichte Österreichs erstellt. "Mit der Nutzung als Kulturzentrum und Ort des Gedenkens wird die St. Pöltner Synagoge zu einem Zeitzeugen“, erklärte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. „Möge die Erinnerung an die Familien, die hier gebetet haben, ewig währen.“

Stadler: Bauwerk als „Ort des Zusammenkommens“

2024 tritt laut St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) das Gebäude in eine neue Phase. „Die barrierefreie Renovierung und das inhaltliche Konzept werden der Bedeutung dieses Bauwerks als Ort des Zusammenkommens gerecht und leiten es in die Zukunft.“ Der Nationalfonds der Republik Österreich, das Bundesdenkmalamt, das Land Niederösterreich und die Stadt St. Pölten akquirierten zur Restaurierung und Adaptierung des Gebäudes gemeinsam 4,6 Millionen Euro.

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Kuratorin Martha Keil zeigt Details der Dauerausstellung "Die Synagoge und ihre Gemeinde
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Die Dauerausstellung ist auf der Frauenempore zu besichtigen
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Die Schau enthält Objekte, Fotos und Dokumente
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An Medienstationen sind u.a. Interviews mit Überlebenden zu sehen
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Es geht auch um die teilweise unsensible Renovierung der 1980er-Jahre

Hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kultur sowie Religion waren am Donnerstag beim offiziellen Festakt dabei. Musikalisch umrahmt wurde die Eröffnungsfeier mit dem Gebet „Mah Tovu“, gesungen von Kantor Paul Heller (Nachkomme der jüdischen Familien Glaser und Heller). Das Intermezzo wurde von der Cellistin Monica Scott (Urenkelin des Architekten der Synagoge Theodor Schreier) mit der Eigenkomposition „17 Generations“ gestaltet. Zum Abschluss spielte das Beethoven Frühling Kammerorchester unter der Leitung von Dorothy Khadem-Missagh das "Adagietto“ von Gustav Mahler.

„Tage der offenen Tür“ bei freiem Eintritt

Von Freitag bis Sonntag kann die Synagoge nun bei den Tagen der offenen Tür bei freiem Eintritt besichtigt werden. Bis 10. November werden Ausstellungen, Konzerte und ein Vermittlungsprogramm geboten, darunter die Dauerausstellung „Die Synagoge und ihre Gemeinde“ auf der Frauenempore.

Die Schau wurde von Institutsleiterin Martha Keil kuratiert. Die Schau enthält nicht nur einige Objekte, Fotos und Dokumente sowie an Medienstationen u.a. Interviews mit Überlebenden, sondern sie zeigt auch die teilweise unsensible Renovierung der 1980er-Jahre auf und gedenkt im monatlichen Wechsel jeweils eines der 321 Shoah-Opfer aus St. Pölten.

„Jewish Weekends“ und Nachkommentreffen

Ab 17. Mai folgt zusätzlich eine Sonderausstellung „Dinge bewegen. Gegenstände und ihre jüdischen Geschichten“. Im Juni kuratiert Johann Kneihs „Jewish Weekends“, ein Festival für jüdische Kultur. Auch abseits des Veranstaltungslebens soll die Ehemalige Synagoge ein „Ort der Familiengeschichte und Treffpunkt für regelmäßige Besuche“ werden, hofft Keil. Das nächste Nachkommentreffen ist im September 2024 geplant. Mit dem Ausstellungs- und Vermittlungsprogramm ist die Ehemalige Synagoge Teil des Jahresschwerpunktes „Kultur St. Pölten 2024“.