Verkehr

S8: ASFINAG für Schutzgebiet-Ausweitung

In der Causa um die geplante Marchfeldschnellstraße (S8) versuchen die Projektwerber offenbar alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. In einem Brief der ASFINAG an die Landesregierung schlägt diese nun vor, dass das Vogelschutzgebiet ausgeweitet wird.

„Würde das Land Niederösterreich gegenüber dem BVwG (…) eine Erweiterung des aktuellen Vogelschutzgebiets ankündigen und noch während dem (sic!) laufenden Verfahren umsetzen, würde das im Verfahren weitere wesentliche zeitliche und inhaltliche Möglichkeiten eröffnen“, heißt es in dem an Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) adressierten Brief der ASFINAG, der dem ORF Niederösterreich vorliegt.

Brief der ASFINAG an Schleritzko
ORF
In einem Brief richtet sich die ASFINAG direkt an Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko

Dass sich die ASFINAG für eine Ausweitung des Vogelschutzgebietes ausspricht, um die geplante S8 umsetzen zu können, mutet für Laien auf den ersten Blick wohl etwas seltsam an. Aus Sicht eines befragten Experten sei das hingegen eine „normale Entwicklung“. Diese sei dadurch entstanden, „dass sich im Rahmen der Verfahren am Bundesverwaltungsgericht herausgestellt hat, dass die erhebliche Beeinträchtigung des Gebietes nicht vollständig und ausreichend sicher vermieden werden kann“, sagt Thomas Knoll, Ziviltechniker für den Fachbereich Naturschutz, Raumordnung, Regionalentwicklung, im Gespräch mit noe.ORF.at.

ASFINAG hofft auf Fortsetzung des Ermittlungsverfahren

Auch in dem Brief der ASFINAG heißt es, dass es im „worst case“ zu einer „Abweisung der UVP-Genehmigung durch das BVwG“ kommen könnte. Dieses habe nämlich die vorläufige Rechtsmeinung geäußert, dass es sich bei dem von dem Bau der S8 betroffenen Gebiet um „faktisches Vogelschutzgebiet“ handle. Kritiker der S8 hatten die geplante Schnellstraße bereits nach der letzten Verhandlung vor zwei Wochen vor dem Aus gesehen – mehr dazu in Marchfeld: Gegner sehen S8 vor dem Aus (noe.ORF.at; 21.2.2020). Noch gibt es aber kein schriftliches Erkenntnis des BVwG.

Ziel der ASFINAG ist es nun offenbar, dass das Ermittlungsverfahren beim BVwG fortgesetzt wird. Entsprechende Anträge wurden bereits eingebracht, heißt es in dem vorliegenden Brief. Gleichzeitig habe man dem Gericht ein „erweitertes, fachlich vertieftes Maßnahmenbündel zur Attraktivierung im Projekt bereits enthaltener Flächen für den Triel (…) im Ausmaß von rund 28 ha vorgelegt“. An das Land Niederösterreich gerichtet heißt es, dass es „zielführend“ wäre, wenn auch dieses ein konkretes Maßnahmenbündel einbringen würde, mit „zusätzlichen Trielschutz-Maßnahmen“.

Ziel dürfte Ausnahmeverfahren und -bewilligung sein

Eine Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens und eine Anpassung des Vogelschutzgebietes sind aus Sicht der ASFINAG wohl deshalb sinnvoll, weil sich so neue Möglichkeiten im laufenden Verfahren ergeben könnten. So heißt es in dem Brief weiter: „Überdies würde dadurch auch eine Alternativenprüfung bzw. eine naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung nach Interessenabwägung ermöglicht.“

Schnellstraße S8
ORF
Im Verfahren geht es derzeit um den Abschnitt West der S8, der vom Knoten S1 in Wien bis nach Gänserndorf führen würde

Dabei gehe es darum, dass die in diesem Fall zum Tragen kommende FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) der EU Ausnahmen vorsieht, wenn Projekte etwa ein höheres öffentliches Interesse haben, erklärt Knoll: „Das ist gang und gäbe in Europa beim Thema Infrastruktur, Autobahnen, Schnellstraßen, Eisenbahnen, dass man hier Ausnahmeverfahren führt.“

Vergleichbar wäre das aktuelle Projekt etwa mit der Umfahrung Wiener Neustadt auf der B17. „Hier gab es genau dieselbe Situation“, so Knoll. „Eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebietes konnte damals auch nicht ausreichend sicher vermieden werden und daher gab es das Ausnahmeverfahren.“ Ob es auch beim aktuellen Projekt der S8 soweit kommt, ist derzeit noch völlig offen. Aus dem Büro von Landesrat Schleritzko heißt es aktuell nur, dass man die Anregungen der ASFINAG prüfe.