Agrana Leopoldsdorf
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Wirtschaft

Zuckerwerk vor Aus: Große Betroffenheit

Nach dem möglichen Aus für das Agrana-Zuckerwerk in Leopoldsdorf (Bezirk Gänserndorf) ist die Betroffenheit in der Belegschaft groß. 150 Beschäftigte wären von der Schließung betroffen. Die Hoffnungen ruhen nun auf einem runden Tisch im Ministerium kommende Woche.

Immer wieder gab es bereits in der Vergangenheit Überlegungen, das Zuckerwerk in Leopoldsdorf zu schließen. Am Dienstag schuf die Agrana-Geschäftsführung jedoch Tatsachen: Sollten in Österreich nicht mehr genügend Zuckerrüben angebaut werden, soll das Werk im Marchfeld zugesperrt werden – mehr dazu in Zuckerfabrik Leopoldsdorf vor dem Aus (noe.ORF.at; 25.08.2020).

Betriebsrat: „Dramatische Schicksale“

Der Agrana-Betriebsratsvorsitzende der Arbeiter in Leopoldsdorf, Walter Rotter, arbeitet seit 40 Jahren in der Zuckerfabrik. Dass nun tatsächlich Schluss sein soll, sorge in der Belegschaft für große Bestürzung. „Das sind dramatische Schicksale. Ein Kollege war heute Früh bei mir. Er bekommt gerade das zweite Kind und ist mitten beim Hausbauen. Er weiß natürlich nicht weiter. Was soll er tun? Geht es sich aus? Geht es sich nicht aus? Haben wir nächstes Jahr noch eine Kampagne? Haben wir keine? Man weiß es nicht“, so Rotter gegenüber noe.ORF.at.

Walter Rotter
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Walter Rotter ist seit 40 Jahren im Agrana-Zuckerwerk in Leopoldsdorf tätig

Bis Mitte November will die Agrana-Geschäftsführung eine Zusicherung haben, dass die Anbaufläche bei Zuckerrüben wieder auf mindestens 38.000 Hektar steigt. Zum Vergleich: Heuer lag sie bei 26.000 Hektar. Selbst der Betriebsratsvorsitzende räumt ein, dass das schlicht zu wenig sei, um die beiden Zuckerwerke in Tulln und Leopoldsdorf entsprechend auslasten zu können.

Geringe Rübenanbaufläche als Problem

„Als Altgewerkschafter ist das alles für mich ein bisschen ein Drama. Ich kann der Geschäftsführung ja gar nichts vorwerfen – das ist das Schlimme“, so Rotter. „Wir bekommen den Rohstoff nicht, sprich die Rübe, und das macht es schwierig. Wie soll ich mit 26.000 Hektar Anbaufläche mit zwei Fabriken fahren, wenn wir sonst immer über 40.000 gehabt haben? Ich kann mir einen Ferrari kaufen, aber ohne Sprit wird er nicht gehen.“

Auch in der Region zeigt man sich betroffen, dass mit der Zuckerfabrik ein bedeutender Industriestandort im Marchfeld zugesperrt werden soll. Clemens Nagel, Bürgermeister der Marktgemeinde Leopoldsdorf, spricht von einer „Katastrophe“ und einer „persönlichen Tragik“. „150 ganzjährige Arbeitsplätze und 100 Kampagnen-Arbeitsplätze sowie zahlreiche Betriebe, die hier profitieren – der Verlust für die Region ist ein gigantischer. Hier sperrt der letzte klassische Industriestandort auf 72 Hektar gewidmeter Industriefläche im Marchfeld zu“, so Nagel.

Runder Tisch als Hoffnung für Belegschaft

Nun ruhen die Hoffnungen auf einem runden Tisch im Agrarministerium kommende Woche. Laut dem Bürgermeister brauche es einen „nationalen Schulterschluss“, um gemeinsam eine Lösung zu finden und die Krise – hervorgerufen durch Witterung, Preisverfall und den Rübenrüsselkäfer – zu überwinden.

Der von Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) angekündigte runde Tisch findet am Donnerstag in einer Woche statt. Mit dabei sein werden auch die Rübenbauern. Sie forderten bereits am Mittwoch einen letzten Anlauf zur Rettung der Zuckerfabrik sowie einen verstärkten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln – mehr dazu in Rübenbauern fordern Rettungsversuch (noe.ORF.at; 26.08.2020). Der Präsident der Rübenbauern, Ernst Karpfinger, warnte im „NÖ heute“-Interview vor der Schließung des Werks und sieht die Selbstversorgung mit Zucker in Gefahr.

Rübenbauerpräsident Karpfinger: „Selbstversorgung in Gefahr“

Ernst Karpfinger, der Präsident der Vereinigung der Österreichischen Rübenbauernorganisationen, warnt vor der Schließung des Agrana-Zuckerwerkes und sieht die Selbstversorgung mit Zucker in Gefahr.

Für die Belegschaft des Agrana-Werks in Leopoldsdorf bleibt nur die Hoffnung, dass auch tatsächlich eine Lösung gefunden wird. „Wenn sich die Politik schon wichtig macht, dann gleich ordentlich“, forderte Betriebsratsvorsitzender Rotter. „Nicht mit irgendwelchen Ankündigungen oder mit Aussagen wie ’Wir werden schauen‘. Wir werden nicht schauen, wir brauchen fix etwas. Geschaut und geredet haben wir lange genug. Wir brauchen jetzt wirklich eine Perspektive.“