Smartmeter
Netz NÖ / Rumpler
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WIRTSCHAFT

„Smart Meter“-Ziele weitgehend verfehlt

Die Umstellung auf intelligente Stromzähler geht langsamer voran als geplant. Bundesweit haben 95 von 119 Netzbetreibern das Ausbauziel Ende 2020 verfehlt, darunter die EVN. Zur Verhinderung von Blackouts fordert die Strombranche inzwischen einen runden Tisch.

In Niederösterreich ist der Einbau von Smart Meter im vergangenen Sommer voll angelaufen. 1.500 bis 2.000 Stromzähler tauscht die EVN-Tochter Netz Niederösterreich momentan täglich. Für Österreichs Netzbetreiber sah eine Verordnung allerdings bereits für Ende 2020 einen Verbreitungsgrad von 80 Prozent vor – dieses Ziel wurde von den meisten Energieversorgern klar verfehlt.

Das dürfte für rechtliche Konsequenzen sorgen. „In der Verordnung ist das geregelt, hier gibt es Strafzahlungen für die Geschäftsführungen“, sagte Werner Hengst in einem virtuellen Hintergespräch vor Journalisten am Dienstag. Er ist Vorstand des Forums Versorgungssicherheit, einem bundesweiten Zusammenschluss von Netzbetreibern, und zudem Geschäftsführer von Netz Niederösterreich.

Nationale Eigenheiten als Begründung

Die Netzbetreiber seien für diese gravierenden Verzögerungen allerdings nicht verantwortlich. Grund seien vielmehr spezielle Anforderungen an Smart Meter, die es nur in Österreich gebe, etwa in Bezug auf Datensicherheit. „Es gibt sonst etwa in keinem anderen Land drei verschiedene Konfigurationen eines Smart Meters. Das hat es so schwierig gemacht“, sagte Hengst. Die Smart-Meter-Industrie habe aus diesem Grund eigene Produkte für den heimischen Markt entwickeln müssen „und Österreich ist kein Riesenmarkt wie Italien, Spanien, Portugal oder Frankreich“.

Smartmeter
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Vor allem am Anfang waren die Smart Meter aufgrund von möglichen Sicherheitsmängeln umstritten. Nun ist die Technik laut Energieversorgern ausgereift – für Kundinnen und Kunden gibt es allerdings eine Opt-out-Möglichkeit

Das Forum Versorgungssicherheit will deshalb noch einmal mit dem Ministerium über die drohenden Strafen verhandeln. Schließlich habe die EU ihre Ziele, auf denen die österreichischen Vorgaben beruhen, wegen der schleppenden Umstellung in etlichen Staaten auf 2024 verschoben. Am Smart-Meter-Ausbau hält die österreichische Strombranche fest. Das nächste Ziel der Verordnung sieht einen 95-prozentigen Ausbau bis zum Ende des Jahres 2022 vor – dieses Ziel wollen die heimischen Unternehmen auf jeden Fall erreichen.

In Niederösterreich wird Gemeinde für Gemeinde vom herkömmlichen Zähler auf Smart Meter umgestellt. Über 200 Mitarbeiter täglich seien dafür alleine für Netz Niederösterreich im Einsatz, so Hengst. Betroffene Kundinnen und Kunden würden rechtzeitig schriftlich über den Zählertausch informiert. Die Pandemie habe in den vergangenen Monaten allerdings für zusätzliche Schwierigkeiten gesorgt: „Die Zähler werden aus dem Ausland nach Österreich transportiert. Das ist momentan nicht so einfach.“

2022 will das Unternehmen 835.000 Zähler getauscht haben. Die volle Funktionalität der Smart Meter soll es für Kundinnen und Kunden bereits ab dem kommenden Sommer geben. „Dann kann man sich zu Hause anschauen, welche Verbrauchsdaten man hat. So kann der Kunde sich sein Verhalten ansehen und vielleicht auch ändern“, sagte Hengst am Dienstag. Das ist von Beginn an eines der zentralen Argumente für eine Umstellung. Außerdem sollen die neuen Geräte unter anderem ohne physische Ablesetermine auskommen. In Zukunft sollen auf diese Weise zudem regional weitgehend autonome Stromnetze mit Erzeugern wie etwa PV-Anlagen möglich sein.

Runder Tisch gegen Blackouts gefordert

Thema des Online-Hintergrundgesprächs am Dienstagvormittag war auch das drohende flächendeckende Blackout, vor dem Energieversorger seit Jahren warnen. Nachdem Europa am Freitag durch einen starken Frequenzabfall im Stromnetz nur knapp an einem derartigen Stromausfall vorbeigeschrammt ist, werden in der Strombranche Forderungen nach einem Runden Tisch laut. Bei dem Treffen aller Stakeholder sollten demnach pragmatische Lösungen für eine Blackout-Vorsorge gefunden werden.

Stromnetz
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Das Gaskraftwerk Theiß gilt in Niederösterreich als Reserve

„Wir brauchen stabile Netze, um die Versorgungssicherheit garantieren zu können“, sagte Hengst. Weitere Maßnahmen sollten am Runden Tisch besprochen werden. Am Freitag sei es trotz des Spannungsabfalls im Netz „Gott sei Dank noch einmal gut gegangen, die Situation verschärft sich aber von Jahr zu Jahr“. In Niederösterreich habe die EVN mit ihrem kalorischen Kraftwerk Theiß bei Krems 2020 mehr als hundert Mal eingreifen müssen.

Erneuerbare Energie nicht verlässlich genug?

„Wir schätzen, dass sich die Situation in den nächsten Jahren verschärfen wird“, warnte Hengst und verwies dazu auf den starken Ausbau der volatilen Erneuerbaren-Stromerzeugung und den Wegfall großer Backup-Kraftwerke in Europa. Strom aus Windrädern stehe nur 3.000 Stunden im Jahr zur Verfügung, Elektrizität aus Photovoltaik (PV) sogar nur 1.000 Stunden. Die in Europa vom Netz gehende Leistung von 50.000 MW entspreche „mehr als zweihundert Donaukraftwerken“.

Der Fachverband Gas-Wärme hatte am Montag nach dem Fast-Blackout vom Wochenende für ein „Umdenken“ in der heimischen Energiepolitik plädiert. Statt einer primär auf Strom fokussierten Energiewende brauche Österreich weiterhin die „Vielseitigkeit aller Energieträger“, also vor allem auch speicherbares Gas (etwa Biogas und Wasserstoff) sowie Fernwärme, um auch künftig gut durch den Winter zu kommen.

Um die enormen täglichen Stromschwankungen in Österreich in den Griff zu bekommen, seien Versorgungssicherheit, Leistbarkeit und Nachhaltigkeit gleichermaßen zu beachten. Weder Sonnen- noch Windstrom lasse sich speichern, aber in Grünes Gas umgewandelt könne die erneuerbare Energie in Gasspeichern gelagert werden. Es bedürfe rasch entsprechender Rahmenbedingungen zur Förderung von Grünem Gas und zur Stärkung der Sektorkopplung, so der Verband.