Arzt in Gespräch mit einem Patienten
Pixabay/Sozavisimost
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Chronik

Offener Brief: Psychiater wollen Jefira retten

Nachdem Integrationslandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) dem Psychotherapiezentrum Jefira für Flüchtlinge die Förderung gestrichen hat, reißt die Kritik nicht ab. Die Fachgruppe der Psychiater fordert nun, die Förderungswürdigkeit „zu überdenken“.

Der Vorsitzende der Fachgruppe Psychiatrie der niederösterreichischen Ärztekammer, Jens Mersch, richtet sich in einem Offenen Brief an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und den für Integration zuständigen Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ). Das Schreiben wurde von der Diakonie Österreich veröffentlicht, einer NGO, die hinter dem Projekt Jefira steht.

„Unabhängig von der persönlichen Einschätzung und der politischen Ausrichtung denke ich, dass es ganz einfache pragmatische Gründe gibt, eine suffiziente, spezialisierte Therapiemöglichkeit für Menschen mit Fluchterfahrung und Traumatisierung anzubieten“, schreibt Mersch, der auch eine Kassenordination in Ternitz (Bezirk Neunkirchen) betreibt.

Waldhäusl: „Genügend Kassenplätze“

Jefira betreut seit fast 15 Jahren traumatisierte Flüchtlinge, die unter anderem Krieg oder Folter erlebten. Zuletzt wurden jährlich etwa 100 Klientinnen und Klienten betreut. Dass die Förderung in der Höhe von 80.000 Euro gestrichen wurde, begründete Landesrat Gottfried Waldhäusl damit, dass bei Jefira Asylwerber bevorzugt würden und es genügend Therapieplätze über die Krankenkasse gebe.

Der Vorsitzende des Fachverbands für Psychotherapie in Niederösterreich sieht das jedoch anders. „Gerade in Zeiten von Corona ist das stationäre und ambulante psychiatrische System an den Kapazitätsgrenzen angelangt“, so Mersch in dem Offenen Brief. Die Verfügbarkeit von Kassenplätzen für Psychotherapie und Psychiatrie stelle für alle Bürger eine Herausforderung dar. Durch den Wegfall von Jefira würden die „knappe Ressourcen (…) weiter unter Druck geraten.“

Mersch verweist darüber hinaus darauf, dass die Krankenhäuser und Ordinationen nicht darauf ausgelegt seien, Menschen mit Fluchterfahrung und Trauma zu behandeln. So gebe es etwa keine Möglichkeiten zum Dolmetschen, keine Erfahrungen mit Multikulturalität, das Personal habe keine Trauma spezifische Ausbildung bzw. fehle auch das Verständnis einer Kultur. Durch „ungeeignete Behandlungssettings“ könnten sich Krankheitsverläufe verschlechtern und in weiterer Folge zur höheren Kosten führen, weil etwa mehr Medikamente benötigt werden oder die Therapie länger dauert.

Mersch: „Niederösterreich sollte nicht ausscheren“

Gegenüber dem ORF Niederösterreich hatte Waldhäusl erst kürzlich kritisiert, dass die Therapie bei Jefira pro Person auf 1.700 Euro kommen würde. „Das ist in keiner Weise vertretbar, denn beim Land ist derzeit aufgrund von Corona generell Sparen angesagt“, sagte Waldhäusl vor wenigen Tagen. „Das hat kein Niederösterreicher.“ Der Vorsitzende der Fachgruppe für Psychotherapie, Jens Mersch, stellt in seinem Offenen Brief klar: „Die zitierten 1.700 Euro sind zum Beispiel im Rahmen einer stationären Behandlung rasch und ineffizient aufgebraucht.“

Der Vorsitzende der Fachgruppe Psychiatrie der niederösterreichischen Ärztekammer plädiert in dem von der Diakonie veröffentlichten Schreiben dafür, sicherzustellen, dass „das psychiatrische und psychotherapeutische System weiterhin im Rahmen seiner Kernkompetenzen für die Allgemeinbevölkerung zugänglich bleibt und handlungsfähig ist“. Dafür müsse es aber auch Spezialeinrichtungen als „Vorhaltestationen“ geben. „Ich denke, dass gerade Niederösterreich nicht als einziges Bundesland aus diesem bewährten Versorgungskonzept ausscheren sollte“, so Mersch.

Schließung vorerst abgewendet

Nach Berichten über das mögliche Aus für das Psychotherapiezentrum Jefira in St. Pölten waren bei der Diakonie einige Großspenden eingelangt, mit denen man die laufenden Therapie fortsetzen kann Die sofortige Schließung ist damit abgewendet, der Betrieb ist zumindest bis Jahresende gesichert.

„Wir können durchatmen, aber es ist keine Lösung für das Problem“, sagte Heinz Fronek, Leiter des Fachbereichs Psychotherapie und Gesundheit bei der Diakonie Österreich, kürzlich gegenüber noe.ORF.at. Langfristig brauche man das Geld vom Land.