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Festspiele Reichenau: „Corona hat uns gekillt“

Rund um die Festspiele Reichenau überschlagen sich derzeit die Ereignisse. Nach der am Dienstag verlautbarten Absage, kündigt nun Geschäftsführerin Renate Loidolt ihren Rücktritt mit Jahresende an. „Corona hat uns gekillt“, sagt sie gegenüber noe.ORF.at.

Seit 1988 finden die Festspiele Reichenau am Fuße der Rax statt und seit 1988 leitet das Ehepaar Renate und Peter Loidolt das Theaterfestival, wo Sommer für Sommer die großen Schauspielstars der Wiener Bühnen auftreten. Im vergangenen Jahr wurden die Festspiele coronabedingt abgesagt, so auch heuer – mehr dazu in Festspiele Reichenau 2021 abgesagt.

Nach der am Dienstag verkündeten Absage wurden nach und nach Rücktrittsgerichte des Intendantenehepaares laut. Am Donnerstag bestätigte Geschäftsführerin Renate Loidolt gegenüber noe.ORF.at, dass sie sich mit Jahresende zurückziehen möchte. Das heißt aber nicht, dass sich das Ehepaar Loidolt komplett von den Festspielen zurückziehen wird. Über der Zukunft der Festspiele hängen derzeit also viele Fragezeichen.

„Dieser Tiefschlag und das zwei Mal, das war zu viel“

Dem „Kulturverein Reichenau“ will das Ehepaar Loidolt nämlich erhalten bleiben und dieser Verein ist mit 75 Prozent der Mehrheitseigentümer der Festspiele. Peter Loidolt ist Obmann dieses Vereins. Die Beiträge und Spenden der Mitglieder bilden eine wesentliche finanzielle Grundlage des jährlichen Veranstaltungsbudgets. Die Entscheidung von Renate Loidolt, die Leitung der Festspiele zurückzulegen, sei keineswegs spontan gefallen, sondern habe sich schon im Vorjahr abgezeichnet, sagte sie am Donnerstag auch in einem Interview mit der Austria Presse Agentur: „Irgendwie haben wir die Freud’ verloren.“

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Schon im vergangenen Jahr blieben die Stühle leer, auch heuer wieder

Persönliche und private Schicksalsschläge hätten ebenfalls dazu geführt, sich nicht länger den Strapazen unter den gegebenen Umständen aussetzen zu wollen. Auch die Situation rund um den Rohbericht des Rechnungshofs sei „denkbar beschämend“, „unschön“ und „nicht elegant“ gewesen, doch letztlich gab ein anderes Übel den Ausschlag: „Es war Corona, das die Festspiele Reichenau zumindest für 2021 gekillt hat und auch unseren Rückzug bestimmt hat, den wir vielleicht sonst bei gleich laufendem Erfolg, den wir so lange Jahre hatten, nicht gemacht hätten und noch ein paar Jahre angehängt hätten. Dann hätten wir erfolgsverwöhnt, wie wir da waren, die Energie schon noch aufgebracht das weiterzumachen. Aber dieser Tiefschlag und das zwei Mal, das war zu viel.“

Schon die Rückzahlungen 2020 haben geschmerzt

Die verordnete Auflage, die Platzkapazität auf 50 Prozent zu reduzieren, sei schlicht „nicht machbar“. „Die Bedingungen müssen stimmen, auch aus unternehmerischer Sicht.“ Daher habe man auch die Saison 2021 abgesagt und die Verträge mit den Schauspielern aufgelöst. Die bisher bestellten und fix gebuchten etwa 21.400 Karten für 89 Vorstellungen übersteigen die nun für Indoor-Spielräume erlaubte Saalkapazität bei weitem.

Schon die Rückzahlungen der bereits so gut wie ausverkauften Saison 2020 haben sehr geschmerzt. Warum es keinen Veranstaltungsschutzschirm für die Festspiele Reichenau gebe? Loidolt: „Ein Staatsfestival wie Salzburg und Bregenz sind wir eben nicht.“ Das Land Niederösterreich habe zwar 100.000 Euro an Sonderhilfe angeboten, allerdings mit dem Vorbehalt einer Rückforderung, je nach Ergebnis des Rechnungshof-Endberichts.

Im Winter kritisierte der Rechnungshof ja in einem Rohbericht Kritik an der Förderung der Festspiele Reichenau durch das Land Niederösterreich. Diese Kritik können die Loidolts nicht nachvollziehen. Das Geld liege nun auf einem Sperrkonto. Bereichert habe man sich nie, beteuert Peter Loidolt, sondern stets ausgeglichen bilanziert. Finanziell sei man nun „ausgeblutet“, Reserven dienen der Aufrechterhaltung des Bürobetriebes und laufenden Kosten für die angestellten Mitarbeiter der Festspiele.

Es werde „keine Marionetten von den Loidolts“ geben

Verbittert ist Renate Loidolt trotz allem nicht, gibt es doch „schöne Erinnerungen auch“. Natürlich sei man über die Jahrzehnte hinweg erfolgsverwöhnt gewesen und habe sich von „klein und fein“ in Richtung „groß und fein“ entwickelt. Das Festival soll jedenfalls erhalten bleiben. Die Suche nach der Nachfolge hat bereits begonnen und die Übergabe möchte das Ehepaar „gleitend“ machen. „Das geht ja nicht. Man kann nicht sagen, heute geh ich raus und lass alles fallen. Man muss auch diejenigen oder diejenige oder diejenigen, die das übernehmen werden, suchen und unterstützen und da sind wir auf einem sehr guten Weg. Damit man dem Publikum das Vertrauen gibt, es geht so weiter in diesem Stil, wie wir es in den letzten 33 Jahren gemacht haben“, sagt Peter Loidolt gegenüber noe.ORF.at.

Loidolt wünscht sich keinen Schauspieler, der sich profilieren will, sondern „jemand wie wir“, eher Prinzipal als Intendant, mit kaufmännischem Geschick und künstlerischem Gespür. Das Intendantenpaar habe sich vorgenommen niemandem, der nachfolgt etwas reinzureden. „Die werden ihr eigenes Programm machen. Im Auftrag des Kulturvereins muss es schon irgendwie passen, aber wir werden keine operative Einmischung mehr machen. Also nicht, dass es wieder heißt, das sind die Marionetten von den Loidolts, die da nachkommen. Das wird es nicht sein, sondern die werden völlig freie Hand und auch völlig freie Verantwortung haben“, so Renate Loidolt.

Land will Gespräche mit Familie Loidolt führen

Laut der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich soll der Rechnungshof Endbericht noch vor dem Sommer kommen. Man werde in den nächsten Wochen Gespräche mit der Familie Loidolt führen und über die Zukunft beraten. Generell habe das Land das Interesse, dass in Reichenau auch in Zukunft Theater gespielt wird. Die coronabedingte Absage bezeichnet man bei der Kulturabteilung des Landes als bedauerlich, aber dies orte man als reine Entscheidung des Veranstalters.