Zerstörtes tschechisches Dorf nach Tornado
ORF/Pia Seiser
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Chronik

Tornado: „Erdrückende Bilder“ für Helfer

„Erdrückende Bilder“ haben sich den Helfern aus Niederösterreich in der Nacht auf Freitag in Tschechien geboten. Nur wenige Stunden, nachdem ein Tornado über das Gebiet hinweggefegt war, war das Rote Kreuz Niederösterreich im Einsatz.

Patrick Wolfram vom Roten Kreuz Laa an der Thaya
RK NÖ
Patrick Wolfram, Leiter der Bezirksstelle des Roten Kreuzes Laa an der Thaya

Der Weinviertler Patrick Wolfram war mit seinen Kollegen des Roten Kreuzes in der Gemeinde Hrusky (Birnbaum) und half bei der Versorgung der Verletzten. „Man kennt das sonst nur aus den Vereinigten Staaten, aus den klassischen Hurrikan-Gebieten“, befand Wolfram, freiwilliger Mitarbeiter des Roten Kreuzes und Leiter der Bezirksstelle Laa an der Thaya (Bezirk Mistelbach). Nun trug sich der Katastrophenfall aber sozusagen vor der eigenen Haustür zu. „Nicht auszumalen, wenn das ein paar Kilometer Luftlinie weiter weg passiert wäre“, spielte der erfahrene Sanitäter auf die Nähe zu Niederösterreich an.

„Die Lage war sehr unübersichtlich“

Alarmiert wurden Wolfram und seine Kollegen am Donnerstag um 19.28 Uhr. Wenig später wurde mit zwei Fahrzeugen ausgerückt. „Zur Lageerkundung“, wie der Helfer betonte. Aufgrund ausgefallener Mobilfunknetze wurde bereits die Navigation zum Zielort zur Nervensache. An Ort und Stelle habe man dann mit den örtlichen Kräften Kontakt aufgenommen. „Die Lage war sehr unübersichtlich“, dennoch sei rasch klar gewesen, „dass mehrere Rettungsmittel nachalarmiert werden müssen“. Gezählt wurden letztlich insgesamt 40 Fahrzeuge des niederösterreichischen Roten Kreuzes.

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Zerstörtes tschechisches Dorf nach Tornado
ORF/Pia Seiser
Bilder der Zerstörung nach dem Tornado: Die Aufräumarbeiten werden wohl Wochen oder Monate in Anspruch nehmen
Zerstörtes tschechisches Dorf nach Tornado
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Zerstörtes tschechisches Dorf nach Tornado
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Zerstörtes tschechisches Dorf nach Tornado
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Zerstörtes tschechisches Dorf nach Tornado
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Zerstörtes tschechisches Dorf nach Tornado
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Errichtet wurde von den Niederösterreichern eine von vier sogenannten Sanitätshilfsstellen. Diese dienten der strukturierten Abwicklung des Geschehens und u.a. der Sichtung und Einteilung von Blessuren. „Die Schwerverletzten wurden von den tschechischen Kollegen versorgt. Wir hatten Leicht- und Mittelverletzte zu betreuen und zu transportieren“, schilderte Wolfram.

„Aus allen Himmelsrichtungen“ seien die Verletzten vor allem zu Beginn auf die Helfer zugeströmt. Später ebbte dieses Geschehen immer stärker ab, gegen 1.00 Uhr beendeten Wolfram und seine Kollegen den Einsatz. Nachdenklich gestimmt machten sie sich auf den Heimweg. Ins Treffen führte der Niederösterreicher in diesem Zusammenhang die generell „sehr enge“ Zusammenarbeit mit den tschechischen Rettungskräften. Mit ersten Gesprächen innerhalb der Mannschaft wurde auf der Heimfahrt ein persönlicher Verarbeitungsprozess des Erlebten angestoßen. Am Samstag wird der Einsatz bei einem Online-Meeting nochmals besprochen.

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Schäden nach dem Tornado in Tschechien
ORF / Gernot Rohrhofer
Schäden nach dem Tornado in Tschechien
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Schäden nach dem Tornado in Tschechien
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Gezeigt habe sich, „wie schlagkräftig das Rote Kreuz Niederösterreich ist“, resümierte Wolfram. Dass sich in Summe mehr als 100 Personen in den Dienst gestellt haben, sei „sehr beachtlich“. „Viele von ihnen gingen schon am Freitagvormittag wieder ihrem Brotberuf nach. Die eine oder andere Kaffeemaschine ist sicher heiß gelaufen“, fügte er hinzu. Sowohl das Rote Kreuz Niederösterreich als auch die Caritas riefen am Freitag auch zu Spenden auf.

Tornado verwüstete sieben Dörfer

Das schwere Unwetter mit einem Tornado hat am Donnerstag im Südosten Tschechiens mindestens fünf Menschen getötet. Das teilten Polizei und Rettungsdienste am Freitag mit. Etwa 200 Menschen wurden verletzt, davon mussten knapp 60 stationär im Krankenhaus behandelt werden. Der Tornado hatte am Donnerstagabend sieben Dörfer in der Region Südmähren verwüstet. Häuser wurden zerstört, Dächer abgedeckt, Stromleitungen niedergerissen und Autos umhergeschleudert – mehr dazu in Tornado in Tschechien: Mindestens fünf Tote, Suche nach Vermissten (news.ORF.at; 25.6.2021).

Die Katastrophe ereignete sich etwa 270 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Prag. Der Tornado war der erste im Land seit 2018. Er erreichte nach Auskunft eines TV-Meteorologen eine Geschwindigkeit von bis zu rund 330 Stundenkilometern. Das wäre der stärkste Wirbelsturm in der jüngeren Geschichte Tschechiens.

Zwei Verletzte mit dem Hubschrauber nach Wien

Hilfe war noch in der Nacht auch von österreichischer Seite gekommen. Die Notarzthubschrauber Christophorus 2 und 9 brachten je ein schwerverletztes Opfer in Spitäler nach Wien, sagte ein Sprecher der ÖAMTC-Flugrettung der APA. Die Suche nach möglichen Verschütteten dauerte am Freitag an. Hunderte Feuerwehrleute gingen in den zerstörten Gemeinden von Haus zu Haus. Spürhunde halfen bei der Suche. Aus anderen Teilen des Landes machte sich weitere Verstärkung auf den Weg. Die Armee schickte Soldaten mit schwerer Technik.

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Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
ORF / Gernot Rohrhofer
Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
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Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
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Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
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Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
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Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
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Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
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Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
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Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
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Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
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Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
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Schäden nach dem Tornado im südlichen Tschechien
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Ministerpräsident Andrej Babis nannte die Naturkatastrophe eine „Apokalypse“ für Tschechien, wie er sie nie zuvor gesehen habe. Der Tornado habe rund 2.000 Häuser beschädigt, der Schaden belaufe sich auf Hunderte Millionen Tschechische Kronen. Er drückte vor Journalisten in Brüssel den Angehörigen der Todesopfer Mitgefühl aus und kündigte an, seine Regierung werde allen Betroffenen möglichst rasch helfen. Man werde auch versuchen, Mittel aus dem EU-Krisenfonds zu lukrieren, wie Kroatien nach einem schweren Erdbeben im Jahr 2020. Babis sagte weiters, er habe bereits mit dem slowakischen Regierungschef Eduard Heger, Ungarns Premier Viktor Orban und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die ausländischen Hilfseinsätze gesprochen, und er bedankte sich bei allen Einsatzkräften und Helfern.

Die Christophorus-Teams aus Österreich halfen laut Ralph Schüller, Sprecher der ÖAMTC-Flugrettung, bei der Bergung, nachdem der Tornado einen Bus gut 70 Meter weit von der Straße in ein Feld gefegt hatte. Dort habe es wohl Tote und etliche Schwerverletzte gegeben, zwei der Opfer wurden zur medizinischen Versorgung nach Wien geflogen. Es handle sich um einen etwa 50-Jährigen, offenbar der Buschauffeur, sowie um ein 15-jähriges Mädchen. Der Unfallort lag bei Mikulčice (deutsch Mikultschitz), ein Dorf mit rund 2.000 Einwohnern in der Region Jihomoravský kraj.

ORF-Reporterin Pia Seiser aus Moravská Nová Ves

Wie ist die aktuelle Lage bei den tschechischen Nachbarn? Ist bereits Hilfe angekommen? Pia Seiser berichtet aus Moravská Nová Ves, eine knappe Auto-Stunde von Niederösterreich entfernt.

Die beiden zur Versorgung nach Wien gebrachten Patienten waren kurz vor Mitternacht ins AKH bzw. in die Klinik Donaustadt gebracht worden. Der Mann war noch in der Nacht operiert worden, sein Zustand habe sich sehr gut entwickelt und galt als stabil, hieß es am Freitagnachmittag. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte hielten sogar seine Entlassung aus dem Spital Anfang nächster Woche für möglich. Die 15-Jährige wurde mittlerweile in künstlichen Tiefschlaf versetzt. Ihr Zustand sei stabil, es könne aber noch keine Entwarnung gegeben werden, erfuhr die APA von einem Sprecher des Gesundheitsverbunds.

Rotes Kreuz mit mehr als 100 Helfern im Einsatz

Das niederösterreichische Rote Kreuz war noch in den späten Abendstunden mit rund 40 Fahrzeugen und mehr als 100 Helfern in den Südosten Tschechiens ausgerückt. Auf den Weg machten sich nach Angaben von Sprecherin Sonja Kellner auch drei mit Feldbetten und Decken beladene Lkw. An Ort und Stelle waren die Kräfte aus dem Bundesland laut Kellner während der „chaotischen Phase“, die den Beginn von vielen Katastrophenfällen begleitet. Versorgt wurden von den Niederösterreichern etwa 30 Menschen, eine Person wurde in ein Krankenhaus transportiert. Abgeschlossen wurde der Einsatz seitens des Roten Kreuzes noch in der Nacht auf Freitag. „Die Kräfte vor Ort waren soweit, dass sie übernehmen konnten“, sagte Kellner.

Notruf NÖ teilte auf Anfrage mit, dass keine Verletzten aus Tschechien in niederösterreichische Landeskliniken gebracht worden seien. Am Donnerstag in den Abendstunden waren alle Krankenhäuser im Weinviertel, jene in St. Pölten und Wiener Neustadt sowie Wiener Spitäler hinsichtlich möglicher Patienten vorinformiert worden.

Massive Unwetterschäden im Wald- und Weinviertel

Die mächtige Gewitterzelle sorgte auch in Niederösterreich für Millionenschäden – mehr dazu in Millionenschäden nach Hagelunwettern (noe.ORF.at; 24.6.2021). Besonders stark betroffen war die Gemeinde Schrattenberg (Bezirk Mistelbach) – mehr dazu in Schrattenberg: Fast alle Häuser beschädigt (noe.ORF.at; 25.6.2021).