Coronavirus

Virologe fordert „Wellenbrecher gegen Tsunami“

Laut dem Virologen Norbert Nowotny werden die verschärften Corona-Maßnahmen nicht ausreichen, um die Zahl der Neuinfektionen entscheidend zu senken. Der Experte fordert weitere Maßnahmen als „Wellenbrecher, damit dieser Tsunami nicht zu zerstörerisch wirkt“.

Im Kampf gegen die steigenden CoV-Infektionen gilt in Österreich seit Montag ein Lockdown für Ungeimpfte. Zusätzlich weitete das Land mit dem heutigen Mittwoch die FFP2-Maskenpflicht aus. Diese gilt nun auch für Gäste in der Gastronomie sowie in Kultureinrichtungen wie Theater, Kinos und Konzertsäle – mehr dazu in Land weitet FFP2-Maskenpflicht weiter aus (noe.ORF.at; 16.11.2021).

Mit diesen Verschärfungen soll es gelingen, die vierte Coronawelle zu brechen. Denn die Lage auf den Intensivstationen sei weiterhin angespannt. Am Dienstag mussten dort 83 Covid-Patienten behandelt werden. Von den insgesamt 333 zur Verfügung stehenden Betten waren laut Angaben der Landesgesundheitsagentur noch 78 frei. In Salzburger Kliniken bereitet man sich bereits auf eine Triage vor.

Zeit für Notmaßnahmen

Virologe Norbert Nowotny, der sich bereits vor Wochen für einen kurzen harten Lockdown ausgesprochen hat, glaubt jedoch, dass die Maßnahmen „wahrscheinlich nicht ausreichend wirken“. Die Politik hätte in den vergangenen Tagen und Wochen zu viel Zeit verstreichen lassen. „Jetzt müssen einfach Notmaßnahmen gesetzt werden.“

Doch auch hier müsse man dringend handeln, denn „je später diese Maßnahmen gesetzt werden, umso mehr Menschenleben kostet es“, stellte der Virologe im „NÖ heute“-Interview klar. Einen Lockdown für alle hält Nowotny derzeit aus politischen Gründen für ausgeschlossen, weitere effiziente Maßnahme wären für ihn jedoch eine strikte Homeoffice-Regelung sowie die Auffrischungsimpfung.

CoV Maßnahmen Virologe Novotny
ORF
Virologe Nowotny fordert im „NÖ heute“-Interview weitere Maßnahmen, um die Neuinfektionen nachhaltig zu senken

noe.ORF.at: Herr Professor Nowotny, die Lage in den Spitälern in Salzburg ist dramatisch, dort wird von Triage gesprochen. Wird sich das alles ausgehen?

Norbert Nowotny: Ich fürchte, dass es sich nicht ausgehen wird, auch in Oberösterreich nicht, obgleich beide Bundesländer seit kurzem einige restriktivere Maßnahmen gesetzt haben. Trotzdem glaube ich, dass es weiterer Maßnahmen bedarf und zwar rasch.

noe.ORF.at: Sie haben sich schon für einen kurzen harten Lockdown ausgesprochen für alle. Glauben Sie, dass die Maßnahmen, wie sie jetzt gelten, nicht wirken werden?

Nowotny: Sie werden wahrscheinlich nicht ausreichend wirken. Ein kurzer harter Lockdown frühzeitig gesetzt, also das hätte schon vor einer Woche beginnen können, damit hätten wir die Zahl der Neuinfektionen deutlich senken und dann mit einem wesentlich besseren Ausgangspunkt wieder starten können. Jetzt müssen einfach Notmaßnahmen gesetzt werden, und je später diese Maßnahmen gesetzt werden, umso mehr Menschenleben kostet es.

noe.ORF.at: Die politisch Verantwortlichen wollen von keinem Lockdown für alle sprechen, aber virologisch gesehen: Glauben Sie, dass wir darum herumkommen?

Nowotny: Ich glaube ein Lockdown für alle wird politisch nicht möglich sein, aber es wird Lockdown-ähnliche Maßnahmen geben. Das wichtigste ist, dass wir unsere Kontakte um etwa 30 Prozent reduzieren, das kann auf verschiedenste Weise sein. Eine Möglichkeit wäre Homeoffice, das tut eigentlich niemanden wirklich weh, wäre aber eine gute Möglichkeit die Kontakte zu reduzieren.

Eine andere, weitere gute Möglichkeit, auf die ich hinweisen möchte, ist die Auffrischungsimpfung, der berühmte dritte Stich. Der ist enorm wichtig, das sehen wir in Israel, das sehen wir jetzt aber auch bei uns. Daher der Aufruf an alle Niederösterreicher und Niederösterreicherinnen: Bitte lassen sie sich rasch impfen, in Niederösterreich gibt es sehr viele Impfangebote, bei ihren Hausärzten, aber auch in Impfstraßen.

noe.ORF.at: Können Sie uns erklären, warum ist dieser dritte Stich so wichtig?

Nowotny: Wir haben in Israel gesehen, dass etwa fünf bis sechs Monate nach der Zweitimpfung die Immunität deutlich gesunken ist. Und in Israel sind daraufhin die Zahlen enorm angestiegen, genauso wie jetzt bei uns. Wir hätten eigentlich nur nach Israel schauen und die gleichen Maßnahmen bei uns frühzeitig setzen müssen. Das ist leider nicht passiert, aber jetzt sozusagen im letzten Moment können wir das noch machen.

noe.ORF.at: Es ist jetzt immer sehr viel von Ungeimpften die Rede, aber wie sollen sich jetzt eigentlich Geimpfte in dieser Situation am besten verhalten?

Nowotny: Auch Geimpfte sollten sich vorsichtig verhalten, das Virus ist jetzt wirklich sehr weit in der Bevölkerung verbreitet. Das heißt wann immer sie mit vulnerablen Personengruppen zu tun haben, bitte nehmen sie eine FFP2-Maske oder Geimpfte sollten sich auch einmal pro Woche würde ich sagen testen lassen. Das kann durchaus ein Antigen-Schnelltest sein, professionell abgenommen ist der am Tag selber und vielleicht auch an einem weiteren Tag doch noch aussagekräftig.

noe.ORF.at: Wenn Sie auch die kommenden Wochen und Monate schauen, was erwarten Sie?

Nowotny: Wir sind erst am Beginn des Spätherbstes, das heißt der Winter steht noch bevor. Das heißt es scheint nicht in die richtige Richtung zu gehen. Es werden die Zahlen weiter steigen, wenn wir nicht Maßnahmen setzen, und die müssen wir jetzt setzen.

Die Impfinitiativen durch 2-G bzw. durch den Lockdown für Ungeimpfte, die bringt etwas, sehr viel, aber die bringt etwas mittel- bis langfristig. Leider haben wir jetzt bereits den Tsunami, und wir brauchen einen Wellenbrecher, damit dieser Tsunami nicht zu zerstörerisch wirkt.