Kultur

Marie Rötzer bleibt am Landestheater

Der Vertrag von Marie Rötzer als künstlerische Leiterin des Landestheaters Niederösterreich ist um weitere fünf Jahre bis Juni 2028 verlängert worden. Das wurde am Montag bekannt gegeben. Rötzer steht dem Haus seit der Spielzeit 2016/17 vor.

Marie Rötzer sei es „hervorragend gelungen, das Haus national und international zu positionieren und damit ein starkes Zeichen für das kulturelle Potenzial Niederösterreichs zu setzen“, lobte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).

In der Spielzeit 2018/19 konnten die höchsten Besucherzahlen seit Bestehen des Landestheaters Niederösterreich erreicht werden, ehe die Pandemie für einen allgemeinen kulturellen Ausnahmezustand sorgte. „Marie Rötzer hat das Landestheater Niederösterreich als kulturellen Leuchtturm etabliert und dabei mit ihrem Spielplan sowie zahlreichen Formaten und niederschwelligen Angeboten die Rolle des Hauses als regionaler Kulturversorger, auch im Bereich des Theaters für ein junges Publikum, ausgebaut“, hob Mikl-Leitner in einer Aussendung hervor.

Marie Rötzer
ORF/ Kotzmann
Marie Rötzers Vertrag wurde nun verlängert

Würdigung der „New York Times“

Die Arbeit des Landestheaters Niederösterreich wurde in Rötzers Amtszeit u.a. mit drei Nestroy-Preisen gewürdigt. „Viele Auszeichnungen der letzten Jahre sprechen für sich. Dass die renommierte ‚New York Times‘ neulich eine mehr als positive Kritik über ein Stück des St. Pöltner Theaters veröffentlichte, adelt die Arbeit Marie Rötzers auf ganz besondere Art und Weise“, ließ St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) wissen.

Auch Paul Gessl, Geschäftsführer der NÖKU-Gruppe, streute Rötzer am Montag Rosen. Sie habe das Theater in der niederösterreichischen Landeshauptstadt „sowohl in Österreich als auch über die Landesgrenzen hinaus als eines der renommiertesten deutschen Sprechtheater positioniert, dessen Programm vom Publikum begeistert aufgenommen wird“, erklärte Gessl.

Mit Fokus auf Europa „alles richtig gemacht“

Die Frage der APA, ob sie die neuerliche Vertragsverlängerung als Bestätigung dafür nehme, alles richtig gemacht zu haben, beantwortet Rötzer lachend mit einem glatten „Ja!“. Tatsächlich habe sie ihre Vorhaben umsetzen können. Nun gehe es um Vertiefung.

„Besonders wichtig war mir, ein europäisches Narrativ zu entwickeln – mit einem Theater, das nach Europa hinausschaut, das sich aber auch Europa hereinholt“, sagt die 54-jährige gebürtige Niederösterreicherin, die ihre Karriere als Dramaturgin am Stadttheater St. Pölten begonnen hatte und vor fünf Jahren von Hamburg wieder heimkehrte.

Sie habe die bereits von der früheren Leiterin Isabella Suppanz begonnenen internationalen Gastspiele ausbauen und auch echte Koproduktionen wie zuletzt mit Luc Perceval und dem NT Gent oder mit dem Grand Théâtre de la Ville de Luxemburg verwirklichen können. Regisseure aus Kroatien und Ungarn hätten am Haus gearbeitet, „und auch in der nächsten Saison haben wir wieder eine ungarische Regisseurin am Start“.

Wiener als eine Hauptzielgruppe

„Besonders wichtig ist mir ein diverses Ensemble. Da werden wir noch mehr in die Mehrsprachigkeit gehen. Unsere Gesellschaft ist viel multilingualer als wir denken. Das macht ja Europa auch aus.“ Sie sei glücklich, wie sehr das Publikum inhaltlich wie ästhetisch ihren Weg mitgegangen sei, meint Rötzer. Dieses käme aus der niederösterreichischen Landeshauptstadt und dem Umland ebenso wie aus der Bundeshauptstadt. „So wie die St. Pöltnerinnen und St. Pöltner natürlich auch in die Wiener Theater gehen, denkt das Wiener Publikum uns mit, wenn es seinen Theaterbesuch plant.“

In ihrer nächsten Leitungsperiode möchte Rötzer die Bemühungen des Theaters in den Bereichen Partizipation, Digitalität und Diversität noch weiter ausbauen und inhaltlich deutlicher als bisher auf Zukunftsthemen setzen. „Das betrifft die Bereiche Umwelt, Klimakrise und Nachhaltigkeit ebenso wie soziale Ungerechtigkeiten oder die Genderdebatte. Schon in der nächsten Saison werden zu 90 Prozent Regisseurinnen bei uns arbeiten.“

Dass St. Pölten doch nicht Europäische Kulturhauptstadt 2024 werde, sei „schon ein bisschen schade“, sagt sie. Dennoch werde es 2024 ein internationales Festival geben, bei dem mit dem künstlerischen Leiter Christoph Gurk viele der ursprünglichen Ideen verwirklicht werden können.

Bisher gut durch die Pandemie gekommen

Finanziell sei das Landestheater als Teil der NÖKU-Gruppe abgesichert. So habe es bisher auch die Pandemie gut bewältigt. „Unsere Schutzmaßnahmen mit Impf- und Teststraßen, Maskenpflicht und Abstand haben sich bewährt. Wir hatten keinen Cluster.“ Doch „das Virusgeschehen ist unberechenbar“. Man werde auch Maßnahmen wie etwa 2G-plus mittragen.

Eines ist für Rötzer jedoch undenkbar: geschlossen zu bleiben, wenn man aufsperren dürfte. „Wir sind ein subventioniertes Unternehmen, das den Auftrag hat zu spielen. Auch das Publikum, das nach dem letzten Lockdown richtig ausgehungert war, erwartet das von uns. Wenn wir dürfen, sperren wir auf!“

Castorf und Habjan auf dem Programm

Das neue Jahr beginnt mit einem Coup. Erstmals inszeniert der deutsche Regisseur Frank Castorf in St. Pölten. Er soll – wenn Corona es zulässt – am 29. Jänner das Stück „Schwarzes Meer“ seiner früheren Lebensgefährtin Irina Kastrinidis zur Uraufführung bringen. Der deutsche Regie-Altmeister liebt es bekanntlich, in seiner Arbeit alle Grenzen auszuloten.

Mit welchen Gefühlen blickt Marie Rötzer diesem Abenteuer entgegen? „Ich habe ihm gleich gesagt, dass ich das Landestheater nicht sprengen werde, um es auf Burgtheater-Größe zu bringen“, lacht die Theaterchefin. „Aber ich denke, Castorf hat gerade deshalb so große Lust, an unserem Haus zu arbeiten, weil es sich von den großen Tankern unterscheidet und dadurch für dieses intime, sehr persönliche Projekt eignet.“