Politik

Niederösterreich führt „Strompreisrabatt“ ein

Um den weiteren Anstieg der Strompreise im Herbst abzufedern, führt das Land Niederösterreich einen „Strompreisrabatt“ ein. Die Höhe der Entlastung ist von der Anzahl der Haushaltsmitglieder abhängig.

Strompreisrabatt

  • für alle Menschen mit Hauptwohnsitz in Niederösterreich (Stichtag 1.7.)
  • Rabatt orientiert sich an der Anzahl der Personen im Haushalt
  • gefördert werden 80 Prozent des durchschnittlichen Energiebedarfs (Grundlage ist Berechnung der E-Control)
  • auch für Nicht-EVN-Kunden gültig
  • Antrag ab 1. September möglich, Auszahlung monatlich ab Oktober

Niederösterreich geht bei der Entlastung bei den steigenden Energiekosten einen eigenen Weg. Nach einer Expertenrunde mit dem Energieversorger EVN und IV-Chefökonom Christian Helmenstein habe man sich auf den „NÖ Strompreisrabatt“ geeinigt, informierte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Die Unterstützung sollen alle Menschen erhalten, die zum 1. Juli ihren Hauptwohnsitz in Niederösterreich gemeldet hatten. Zweitwohnsitzerinnen und -sitzer erhalten keine Förderung. Ausschlaggebend für die Gesamthöhe des Rabattes ist die Anzahl der Personen im Haushalt, nicht die Wohnfläche. Je nach Anzahl der Personen wird demnach eine bestimmte Menge an Kilowattstunden gefördert. Dadurch sollen etwa „Familien, die in kleineren Wohnungen leben, mehr profitieren“, führte Mikl-Leitner aus.

Förderdeckel soll zum Energiesparen anregen

Gefördert werden elf Cent pro Kilowattstunde, die Förderung ist allerdings gedeckelt. Der „Deckel“ liegt bei 80 Prozent des Energieverbrauches eines durchschnittlichen Haushaltes, „das heißt, wer weniger Strom verbraucht, profitiert überdurchschnittlich davon“, so die Landeschefin, „denn er oder sie bekommt immer die volle Förderung, ob er jetzt unter 80 Prozent verbraucht oder 80 Prozent. Das heißt, die Förderung ist den Haushalten immer gewiss.“ Dadurch wolle man zum Energiesparen anregen.

Pressekonferenz im NÖ Landhaus mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (2.  v. r.), LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf (2. v. l.), EVN-Vorstandssprecher Stefan Szyszkowitz und IV-Chefökonom Christian Helmenstein.
NLK Filzwieser
Bei der Pressekonferenz am Mittwoch: Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (2. v. r.), Landeshauptfrau- Stellvertreter Stephan Pernkopf (2. v. l.), EVN-Vorstandssprecher Stefan Szyszkowitz und IV-Chefökonom Christian Helmenstein

Für einen Ein-Personen-Haushalt ergibt sich nach dieser Berechnung beispielsweise eine Einsparung von knapp 170 Euro, bei zwei Personen 272 Euro, bei drei Personen 374 Euro, bei vier Personen 415 Euro für das gesamte Jahr. Beantragen kann man die Förderung ab 1. September, ab Oktober soll der Rabatt monatlich direkt von der Stromrechnung abgezogen werden.

Höhe der Förderung

11 cent pro kWh, 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs pro Jahr

  • 1 Person: 169,58 Euro
  • 2 Personen: 272,36 Euro
  • 3 Personen: 374,44 Euro
  • 4 Personen: 415,80 Euro
  • 5 Personen: 457,07 Euro
  • Pro weitere Person: 41,27 Euro

Zeitlich begrenzt ist die Förderung mit 30. September 2023. Das gesamte Fördervolumen beträgt 250 Mio. Euro. Finanziert werden soll die Maßnahme aus potenziellen Dividenden der Landesbeteiligungsholding.

Rabatt nicht nur für EVN-Kunden

Der Strompreisrabatt gilt nicht nur für EVN-Kundinnen und -Kunden. Stefan Szyskowitz, Vorstandssprecher des Energieversorgers EVN, meinte, dass „rund 90 Prozent der angesprochenen niederösterreichischen Haushalte im Grund von drei Versorgern abgedeckt werden, sodass wir guten Mutes sind, dass wir doch in kürzester Zeit in der Lage sein werden, diese Gutschriften entsprechend abrechnen zu können“.

Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) strich vor allem den Anreiz zum Energiesparen hervor, denn „die beste Kilowattstunde ist die, die gar nicht verbraucht worden ist.“ Das Modell sei „sehr zu begrüßen“ und helfe „massiv“.

Verzehnfachung des Gaspreises in Europa

IV-Chefökonom Christian Helmenstein, der auch an einer vor der Pressekonferenz angesetzten Expertenrunde teilgenommen hatte, ortete „eine Maßnahme mit Sinnhaftigkeit und administrativer Effizienz“. Er sei „optimistisch, dass sie auch schnell bei den Menschen ankommt“.

Der Hintergrund, der diese Maßnahmen notwendig macht, sei dramatisch, sagte IV-Ökonom Christian Helmenstein: „Wir waren an ein Gaspreisniveau in der Größenordnung von zehn bis 15 Euro pro Megawattstunde gewöhnt. Jetzt sprechen wir über 160 Euro pro Megawattstunde, also wirklich mindestens eine Verzehnfachung des Gaspreises. Und dem können wir uns in Österreich nicht entziehen.“

Bundesweite Debatte im Gang

Mikl-Leitner war vor rund eineinhalb Wochen medial für eine Strompreisdeckelung eingetreten – mehr dazu in Preisdeckel: Lob und Kritik für Mikl-Leitner (noe.ORF.at; 9.7.2022). Auf Bundesebene wird über einen von WIFO-Chef Gabriel Felbermayr zur Kostenbegrenzung für Stromkunden gemachten Vorschlag nachgedacht. „Einen österreichweiten Preisdeckel begrüße ich voll und ganz“, unterstrich Mikl-Leitner am Mittwoch. Eine solche Deckelung könne „nur auf nationaler oder europäischer Ebene“ erfolgen.

Vom Bund weiters eingefordert wurde „die rasche Auszahlung der angekündigten Milliarde für unsere Betriebe im Rahmen des Antiteuerungspaketes“ sowie Klarheit für die Unternehmen, „womit im Notfall einer Energielenkung jede einzelne Branche rechnen muss“.

Weitere Maßnahmen gegen Teuerung geplant

Der „Strompreisrabatt“ für Niederösterreich wird laut Mikl-Leitner in der am Donnerstag stattfindenden außerordentlichen Sitzung der Landesregierung im Detail besprochen und – neben weiteren, noch nicht genannten Antiteuerungsmaßnahmen – beschlossen. Um die nötigen gesetzlichen Rahmenbedingungen „so rasch als möglich“ zu schaffen, werde eine Sondersitzung des Landtages notwendig sein.

Mehreren Medienberichten zufolge dürfte eine solche Sitzung für den Montag geplant sein. Seitens der Landtagsdirektion hieß es am Mittwochvormittag auf Anfrage, dass bisher noch kein entsprechender Antrag eingelangt sei.

Reaktionen zu „Strompreisrabatt“

Reinhard Hundsmüller, Klubobmann der SPÖ Niederösterreich, zeigte sich per Aussendung über die mögliche Abhaltung des Sondersitzung des Landtages erfreut: „Der wachsende Druck von Bevölkerung, Medien, Landeshauptfrau-Stellvertreter Franz Schnabl, der SPÖ und den anderen im NÖ Landtag vertretenen Parteien hat dazu geführt, dass die ÖVP einlenkt und endlich damit beginnt, Entlastungen für die Menschen in unserem Bundesland zuzulassen.“

NEOS-Landessprecherin Indra Collini begrüßte grundsätzlich, dass nun doch – entgegen der vorherigen Ankündigung der ÖVP – vor September Entlastungsschritte präsentiert wurden. „Es zeugt aber von einem seltsamen Politikverständnis, dass die Volkspartei drei Landtagssitzungen zu diesem Thema ungenutzt verstreichen lässt, der angekündigte Strompreisrabatt jedoch in einer Hauruckaktion vorgelegt und beurteilt werden soll“, hieß es in einer Aussendung.

In eine ähnliche Kerbe schlug Udo Landbauer, Landespartei- und Klubobmann der FPÖ Niederösterreich. „Das wirkt alles sehr nervös, husch-pfusch zusammengeschustert“, konstatierte er per Aussendung. Landbauer trat für einen „echten Energiepreisdeckel“ ein: „Offenbar ist der ÖVP entgangen, dass nicht nur die Strompreise explodiert sind.“

Helga Krismer, Landessprecherin der Grünen, sieht den „Grünen-Strom-Deckel-Vorschlag 1:1“ übernommen, ohne dass die Urheber der Idee erwähnt worden wären. Generell sei aber „hier ein pragmatischer und vernünftiger Weg rasch eingeschlagen“ worden, Energiesparanreize inklusive.