Ein maskierter Einbrecher hantiert mit einem Brecheisen an einer Tür. Gestellte Szene.
APA/HELMUT FOHRINGER
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Chronik

Mehr Vermögensdelikte wegen Teuerung

Die Zahl der Vermögensdelikte, wie Einbrüche oder Überfälle, waren jahrelang rückläufig, jetzt nehmen sie wieder zu. Mit ein Grund dafür ist laut Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt die Teuerung. Für die Behörde sei zudem die „Verschnaufpause durch die Pandemie“ vorbei.

Einbrüche, Überfälle, Diebstähle aber auch Gegenstände, die im Internet verkauft und dann nicht verschickt werden – solche Vermögensdelikte haben zuletzt spürbar zugenommen, sagt die Leiterin der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, Barbara Haider. Einer der Gründe: „Die Teuerung und die Energiekrise sind etwas, was die Bevölkerung sicher schwer belastet.“

Für Menschen, die dringend Geld oder Lebensmittel benötigen, sei ein Einbruch oder Diebstahl die „einfachste“ Gelegenheit, so Haider. Konkrete Zahlen dazu gibt es noch nicht, „aber das ist der Eindruck, den wir haben.“ Einen weiteren Grund für den Anstieg an Vermögensdelikten sieht die Leiterin der Staatsanwaltschaft in der gestiegenen Mobilität bzw. der Aufhebung sämtlicher Coronavirus-Maßnahmen, wie sie anlässlich der Jahresbilanz der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt sagte.

Zwei ähnliche Fälle mit Kugelbomben

Und dieses Jahr begann und endete für die Staatsanwälte recht ähnlich, quasi mit einem Deja-vu am Neujahrstag. In der Silvesternacht bei Ternitz (Bezirk Neunkirchen) wurden zwei Jugendliche durch illegale Raketen getötet. „Beängstigende Parallelen“ wies der Unfall mit der Causa in Alland (Bezirk Baden) vom 1. Jänner 2022 auf, wo ebenfalls ein Jugendlicher durch illegale Böller ums Leben kam. Eine Person wurde deshalb im Vorjahr u.a. wegen grob fahrlässiger Tötung verurteilt.

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Einsatzkräfte am Unglücksort
Einsatzdoku / Lechner / Sämann
Schauplatz des tödlichen Unfalls in der Silvesternacht 2023 war ein Feld bei Ternitz
Einsatzkräfte am Unglücksort
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Ein 18-Jähriger starb noch an der Unfallstelle
Einsatzkräfte am Unglücksort
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„Alles war voller Einsatzfahrzeuge“, berichteten Augenzeugen
Einsatzkräfte am Unglücksort
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Der Feuerwerkskörper dürfte zu früh explodiert sein und den 18-Jährigen tödlich verletzt haben
Einsatzkräfte am Unglücksort
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Zum Abschießen der Feuerwerke sollen die Jugendlichen 50 Zentimeter lange Rohre aus Plastik verwendet haben

Die Behörde war somit binnen eines Jahres mit der Aufklärung zweier derartiger Vorfälle befasst, die drei Tote und mehrere Verletzte gefordert hatten. Dabei sind sowohl der Import von Kugelbomben der Kategorie F4 als auch die Zündung ohne behördliche Bewilligung und ohne entsprechende fachliche Eignung verboten. Haider bezeichnete Kugelbomben als „tödliche Fallen“ und als „Suizid mit Anlauf“.

Die Ermittlungen rund um den Unfall in Ternitz – weiterhin gegen unbekannte Täter – dauerten an, führte der Staatsanwalt Erich Habitzl bei dem Bilanz-Pressegespräch aus. Die Auswertung von Daten der Mobiltelefone, Obduktionsgutachten und ein Zwischenbericht der Polizei stünden noch aus – mehr dazu in Kugelbomben: Ermittlungen gegen Unbekannte (noe.ORF.at; 3.1.2023).

Cybercrime im Fokus

Eine Herausforderung für die Staatsanwaltschaften bleibe die Online-Kriminalität. Für diesen Bereich kündigte das Justizministerium im Vorjahr zusätzliche Planstellen an. Für den Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Wien – das betrifft Wien, Niederösterreich und das Burgenland – bedeutet das zwölf neue Mitarbeiter. In Wiener Neustadt hofft man auf „eine Planstelle und, dass das möglichst bald sein wird“, so Haider.

Denn die Verschnaufpause durch die CoV-Pandemie, in der die strafrechtlichen Fälle zurückgingen, „womit de facto eine Normalauslastung gegeben war“, schildert Haider, ist vorbei. Mit in Summe mehr als 16.600 Verfahren im Vorjahr erreichte man in Wiener Neustadt beinahe das Vor-Corona-Niveau: „Die Arbeitsauslastung ist mehr als voll und geht uns leider nicht aus.“

Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt Bilanz 2022 Teuerung Vermögensdelikte
ORF/Schwarzwald-Sailer
Erster Staatsanwalt Erich Habitzl, die Leiterin der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, Barbara Haider, und Staatsanwalt Markus Bauer (v.l.) zogen bei einem Pressegespräch am Donnerstag Bilanz

Bei den in die Zuständigkeit des Landesgerichts fallenden Straftaten sei im vergangenen Jahr ein Anstieg von 3.122 auf 3.537 Verfahren registriert worden. Auch bei jenen beim Bezirksgericht habe es ein deutliches Plus auf 13.070 (2021: 11.719) gegeben, bilanzierte Staatsanwalt Markus Bauer. 3.531 Verfahren (2021: 3.120) am Landesgericht seien zum Abschluss gebracht, 158 Anklageschriften und 875 Strafanträge erhoben worden.

Forderung an den Bund

In Wiener Neustadt gibt es für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte derzeit 14 Planstellen. Der Personalstand sei in den vergangenen Jahren trotz steigender Arbeit gleichgeblieben. Manchmal würden zwar neue Kriminalitätsphänomene die Justiz ressourcentechnisch überraschen, generell würde der Bedarf vom Bund aber über einen längerfristigen Zeitraum beobachtet werden. Allerdings dauert die Ausbildung mehrere Jahre, merkte Haider an: „Hier wartet man bei manchen Dingen zu lange zu.“

Bewährt hätten sich hingegen die Gewaltschutz-Fallkonferenzen. Diese würden immer häufiger abgehalten werden. Ermöglicht werden sie durch das Gewaltschutzgesetz 2021, das auch eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung für Gefährder vorsieht. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt habe im vergangenen Jahr etwa 20 Teilnahmen verzeichnet. „Tendenz steigend“, betonte die Leiterin.

Personalsituation „gleichbleibend angespannt“

Die Aufgabe der Staatsanwaltschaft besteht nicht nur darin „Leute festzunehmen“, vielmehr gehe es auch um die rechtliche Expertise, „ob hier überhaupt seitens der Strafjustiz die Möglichkeit besteht, diesen Fall zu behandeln oder ob es nicht wichtiger wäre, mit dem Täter auf andere Weise zu arbeiten.“ Denn in manchen Fällen würde laut Haider eher die psychische und weniger die strafrechtliche Problematik dahinterstehen.

Das Instrumentarium zur Erarbeitung präventiver Strategien funktioniere „gut“ und bringe auch eine Vernetzung von verschiedenen Institutionen, die im konkreten Einzelfall für alle hilfreich sei. Dennoch verwies Haider auf einen „zeitintensiven Aspekt der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit“. Die Personalsituation in Wiener Neustadt sei „seit Jahren gleichbleibend angespannt“.