Conrad Observatorium Forschungsstollen Geomagnetisches Observatorium
ORF/Tobias Mayr
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Wissenschaft

Globale Erdbebendaten aus dem Berginneren

Das Conrad Observatorium auf dem Trafelberg in Muggendorf (Bezirk Wiener Neustadt) beherbergt eines der renommiertesten Erdbebenforschungszentren der Welt. Weltweite seismische Aktivitäten können hier, tief im Inneren des Berges, dokumentiert werden.

1,5 Kilometer in das Innere des Trafelbergs hinein ragt der 2014 eröffnete Forschungsstollen, an seiner tiefsten Stelle liegt er 35 Meter unter der Erdoberfläche. In dem Tunnel stehen die empfindlichsten Seismometer, die Geosphere Austria zur Messung seismischer Aktivitäten zur Verfügung hat. Sie zeichnen auf, was sich viele Kilometer tief in der Erde abspielt, um so Erdbebenaktivitäten auf der ganzen Welt zu dokumentieren.

Im Conrad Observatorium können selbst Beben in Neuseeland gemessen werden. Verantwortlich dafür sind die guten Bedingungen für das Observatorium auf dem Trafelberg. „Für hochpräzise Messungen, wie wir sie hier machen wollen, muss man einfach möglichst weit weg von Menschen gemachten Störungen sein“, erklärt der Seismologe Anton Vogelmann von Geosphere Austria. Der Trafelberg ist dafür wie gemacht. Er liegt in einem 450 Hektar großen, unbesiedelten Waldschutzgebiet. 2002 wurde der erste 150 Meter lange seismisch-gravimetrische Forschungsstollen eröffnet, 2014 folgte der zweite, 1,5 Kilometer lange geomagnetische Tunnel.

Conrad Observatorium Trafelberg
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Abgelegen auf 1.085 Meter über dem Meeresspiegel liegt der Eingang zum Conrad Observatorium

Tiefe soll Baumbewegungen ausgleichen

Die Tunnelbauweise sei wichtig, um möglichst viel Entfernung zu den Bäumen zu haben, erklärt Vogelmann. Die im Wind schwingenden Bäume übertragen sonst die Bewegung in den Berg hinein, was zu verfälschten Messergebnissen führen würde. Die zahlreichen Seismometer in den Stollen gelten dafür als Referenzpunkte zueinander, damit nur „echte Erdbeben“ als solche dokumentiert werden.

Beliebt ist das Observatorium auch bei internationalen Forschenden zum Testen neuer Geräte, unter anderem weil es nur eine gute Autostunde vom Flughafen Schwechat entfernt liegt. Es gibt zwar vergleichbar präzise Observatorien an anderen Orten der Welt, sagt Vogelmann, aber die liegen entweder in der Wüste oder im abgelegenen Gebirge. Die Geosphere mit Sitz in Wien hat ihre Messstationen im Vergleich dazu quasi vor der Haustür.

„Warum eigentlich?“: Beben in Gloggnitz

In diesem Jahr hat es im Raum Gloggnitz 27 leichte, aber dennoch spürbare Erdbeben gegeben. Die neue Wissenschaftsrubrik „Warum eigentlich?“ geht der Frage auf den Grund, weshalb ausgerechnet der Raum Gloggnitz so aktiv ist.

Wiener Becken wächst weiter

Die unmittelbare Nachbarschaft des Observatoriums ist selbst eine seismisch höchst aktive Zone. „Das südliche Wiener Becken ist ein Aufweitungsbecken, wo sich ein Krustenteil immer weiter nach Nordosten wegschiebt,“ erklärt Vogelmann. Dieser Prozess laufe bereits seit Millionen von Jahren, jedes Jahr werde das Wiener Becken um wenige Millimeter größer, so Vogelmann. In zehn bis 14 Kilometern Tiefe kommt es dabei zu Spannungen, die sich in Form von Erdbeben entladen.

Davon zeugen unter anderem die zahlreichen Erdbebenmeldungen im Raum Gloggnitz, wo diese Spannungen besonders hoch sind. Seit Jahresbeginn wurden 27 spürbare Erdbeben im Raum Gloggnitz registriert. Eine solche Serie von Erdbeben, ein sogenannter „Erdbebenschwarm“, sei im Wiener Becken jedoch nicht ungewöhnlich, so Vogelmann – mehr dazu in „Gloggnitz: Was steckt hinter den Erdbeben?“ (noe.ORF.at; 31.05.2023).

Seismometer
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Die Seismometer messen Erdstöße von Gloggnitz bis Neuseeland

Gefährlich wird es ab Magnitude fünf

Die Erdbeben im Wiener Becken seien gemeinhin ungefährlich, weil die Spannungen nur selten zu größeren Beben führen, sagt Vogelmann. Das schwerste Erdbeben 2023 in Gloggnitz hatte am 30. März eine Magnitude von 4,2 auf der Richterskala. Ab einer Magnitude von fünf bis sechs werde es gefährlich, so der Seismologe. Zum Vergleich: Die beiden Erdbeben in Syrien und in der Türkei vom 6. Februar 2023 hatten Magnituden von 7,8 und 7,5 auf der Richterskala, das Erdbeben in Marokko vom 8. September 2023 eine Magnitude von 6,8.

Die Stufen auf der Richterskala verlaufen übrigens nicht linear, sondern logarithmisch. Ein Anstieg von Stufe vier auf Stufe fünf entspricht demnach einer Verdreißigfachung der entfesselten Energie, so Vogelmann. Das letzte schwerere Erdbeben ereignete sich 1972 in Seebenstein (Bezirk Neunkirchen) mit einer Magnitude von 5,3 – mehr dazu in „Stärke von 5,3: Großes Erdbeben jährt sich“ (noe.ORF.at; 16.4.2023).