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APA/EVA MANHART
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Wirtschaft

Kika/Leiner hat Insolvenz angemeldet

Das frühere Möbelimperium kika/Leiner ist insolvent. In St. Pölten hat der neue Eigentümer des operativen Geschäfts am Montag ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beantragt. Die Gewerkschaft fordert, den Kauf von der Signa Retail Gruppe rückabzuwickeln.

Der Hauptsitz von kika/Leiner ist in St. Pölten, weshalb der Insolvenzantrag auch am Landesgericht gestellt wurde. Bei einem Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung übernimmt eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt mit wirtschaftlichen Kenntnissen als Masseverwalter zeitlich befristet die Kontrolle über das Unternehmen. Die Verbindlichkeiten belaufen sich auf 132 Mio., wie der Gläubigerschutzverband Creditreform berichtet. Betroffen sind ca. 3.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Zum Vermögen (Aktiva) machte das Unternehmen keine Angaben, teilten Gläubigerschutzverbände mit. Die Möbelkette strebt einen Sanierungsplan zahlbar innerhalb von zwei Jahren an. Die rund 440 Gläubiger sollen eine Quote von 20 Prozent erhalten. Die Insolvenzursachen liegen laut Kika/Leiner unter anderem im erhöhten Preisdruck und nicht eingetretenen Umsatzerwartungen sowie in Lieferverzögerungen aufgrund der CoV-Pandemie.

Mehrheit der Gläubiger muss Sanierungsplan zustimmen

Voraussetzung für ein derartiges Sanierungsverfahren ist, dass der Sanierungsplan schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegt wird und innerhalb von zwei Jahren mindestens 20 Prozent der Schulden bezahlt werden. Außerdem muss die Mehrheit der Gläubiger dem Sanierungsplan zustimmen.

Der neue Geschäftsführer Hermann Wieser kaufte vor zwei Wochen das operative Geschäft von der Signa Retail Gruppe des Tiroler Investors Rene Benko. Signa hat sich beim Verkauf des operativen kika/Leiner-Geschäfts an Wieser vertraglich abgesichert. Gewährleistung und Haftungen seien auf die Höhe des Kaufpreises beschränkt. Außerdem könne der Käufer keine Ansprüche gegen bisherige Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder, Gesellschafter oder Darlehensgeber geltend machen und er könne nicht vom Vertrag zurücktreten bzw. den Kontrakt anfechten.

Drohende Insolvenz bei kika/Leiner

Nach dem Verkauf von kika/Leiner durch die Signa-Gruppe des Tiroler Investors Rene Benko wollen die neuen Eigentümer am Dienstag ein Insolvenzverfahren beantragen. Dabei könnten auch die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen Geld verlieren.

Gestundete Steuern noch offen

Die kolportierten Vertragsdetails bestätigte der kika/Leiner-Sprecher gegenüber der APA. Unternehmensinterne Zahlen wollte der Sprecher aber nicht kommentieren und verwies auf die baldige Beantragung des Sanierungsverfahrens. Am Wochenende wurde bekannt, dass dem Unternehmen in der CoV-Pandemie Steuern gestundet worden waren, die kika/Leiner eigentlich später zurückzahlen sollte.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) verwies im Zusammenhang mit dem im Raum stehenden Verlust von Steuergeldern durch ein etwaiges Insolvenzverfahren auf die Finanzprokuratur. Man habe diese „beauftragt, die Interessen der Republik wahrzunehmen“ und zu prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten es gebe, bekräftigte er am Montag.

Der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, will die Vorgänge rund um den Verkauf von kika/Leiner sowie eine Kompensation für die Steuerstundungen genau prüfen, wie er im „Ö1-Mittagsjournal“ ankündigte. Zum genauen Anteil der Republik an den Verbindlichkeiten der Kette machte Peschorn keine Angaben. In dem geplanten Sanierungsverfahren werde die Republik jedenfalls aber „ein gewichtiges Wort mitzureden haben“, so Peschorn: „Wir haben hier sicherlich die entscheidenden Stimmrechte.“

Zu klären ist aus Sicht von Peschorn auch, ob die Insolvenz der Möbelkette hinausgezögert worden sein könnte. Er gehe aber davon aus, „dass alle Beteiligten bestrebt waren, die Gesetze einzuhalten“. Peschorn vermutet, dass Signa als bisheriger Eigentümer hauptsächlich an Mietengelten aus den Liegenschaften der Kette interessiert gewesen sei. Das Handelsgeschäft habe Signa möglicherweise nur als Mittel zum Zweck gesehen. „Man muss sich anschauen, wie die Verrechnungspreise waren“, so der Finanzprokurator-Chef.

Möbelhandel schon länger Verlustgeschäft

Der operative Teil der Möbelkette schrieb schon lange rote Zahlen. Für den südafrikanischen kika/Leiner-Eigentümer Steinhoff (2013-2018) und für Signa (2018-2023) war der Möbelhandel ein Verlustgeschäft. Bis Ende September 2021 summierte sich über die Jahre ein Bilanzverlust bei der Kika Möbel-Handelsgesellschaft und bei der Rudolf Leiner Gesellschaft von 106 Mio. Euro bzw. 83,7 Mio. Euro, geht aus dem Firmenbuch hervor. Mitte 2022 wurden die Gesellschaften miteinander verschmolzen und firmieren seitdem unter Leiner & kika Möbelhandels GmbH. Der Jahresabschluss für 2021/2022 liegt noch nicht vor.

kika-Filiale in Stockerau, Außenansicht, Warteschlange
ORF
Lange Schlangen bilden sich seit Freitag vor den bald geschlossenen 23 kika/Leiner-Filialen, die Lagerware will man mit stark reduzierten Preisen los werden

Masseverwalter entscheidet über Schließungen

Nach knapp fünf Jahren als Eigentümer verkaufte die Signa Retail Gruppe die Immobilien der Möbelkette laut APA-Informationen um 350 Mio. Euro an die Supernova Gruppe des Fachmarkt-Unternehmers Frank Albert. Wieser als neuer Eigentümer des operativen Geschäfts kündigte an, 23 von 40 Standorten per Ende Juli zu schließen und 1.900 von 3.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kündigen – mehr dazu in Kika/Leiner will Insolvenz anmelden (noe.ORF.at; 7.6.2023). Beim geplanten Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung entscheidet der Masseverwalter über Filialschließungen und Stellenabbau.

Die operativen kika- und Leiner-Gesellschaften zahlten in den vergangenen Jahren Mieten in Millionenhöhe an eigene Immobiliengesellschaften, welche die Standorte besaßen. Die Miet- und Leasingverpflichtungen beliefen sich im Geschäftsjahr 2020/21 bei kika auf 24 Mio. Euro, bei Leiner auf 19 Mio. Euro. Der über die Jahre summierte Bilanzgewinn der KIKA Immobilien GmbH betrug Ende 2021 laut Firmenbuch 60 Mio. Euro und bei der Leiner Immobilien GmbH waren es 6,6 Mio. Euro.

„Die Höhe der Mieteinnahmen wird allerdings noch zu einigen Diskussionen führen, da diese für den Verlust in der operativen Gesellschaft mitverantwortlich war“, so der Chef des KMU-Beraters Finanzombudsteam, Gerald Zmuegg, am Montag in einer Aussendung. Die Bankverbindlichkeiten, etwa ein Kredit von 123,2 Mio. Euro durch die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien, seien aus den Mieteinnahmen der operativen Gesellschaft beglichen worden. Für Zmuegg ist es kein Zufall, dass der Jahresabschluss der Leiner & kika Möbelhandels GmbH zum 30. September 2022 noch nicht beim Firmenbuch hinterlegt ist. „Anfechtungsfristen könnten hier in die Überlegung miteingeflossen sein“, erklärte der Finanzombudsteam-Chef.

Gewerkschaft fordert Rückabwicklung des Kaufs

Angesichts von neuen Finanzdetails fordert die Gewerkschaft eine Rückabwicklung des Verkaufs. „Was hier passiert, ist ein Skandal auf dem Rücken der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie Beschäftigten“, kritisierte GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. „Der gesamte kika/Leiner-Deal muss rückabgewickelt werden. Der Finanzminister hat die Republik schadlos zu halten“, forderte Teiber.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von kika/Leiner warten nun auf Details des Sanierungsverfahrens. Ab Dienstag sind bis zum Ende der Woche Betriebsversammlungen an allen Filialstandorten von kika/Leiner in Österreich geplant. Die Arbeiterkammer und der Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer:innen (ISA) werden dort über die Wahrung der Ansprüche (u.a. laufendes Entgelt, Sonderzahlungen) informieren. Nach Eröffnung der Insolvenz übernimmt der öffentliche Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) nach Geltendmachung die Zahlung der Gehälter. Offene Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis müssen zur Wahrung der Ansprüche zeitnahe beim Landesgericht St. Pölten sowie bei der IEF Service GmbH geltend gemacht werden.