Sven Hergovich beim SPÖ-NÖ-Landesparteitag
APA/Tobias Steinmaurer
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Politik

96,2 Prozent: Hergovich neuer SPÖ-NÖ-Chef

Beim außerordentlichen Parteitag der SPÖ Niederösterreich in St. Pölten ist Sven Hergovich am Samstag mit 96,2 Prozent der Delegiertenstimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Der 34-Jährige ist der jüngste Chef in der Geschichte der Landespartei.

Hergovich stellte sich zum ersten Mal dem Votum der Sozialdemokraten. Der 34-Jährige wurde gemeinsam mit dem neuen SPÖ-Bundeschef Andreas Babler mit Standing Ovations begrüßt. „Wir stehen am Beginn eines neuen Weges, der uns auch zu neuer Stärke führen wird“, sagte Hergovich. Er will als „Kontroll-Landesrat“ agieren.

337 Delegierte fanden sich bei der Veranstaltung mit dem Motto „Neustart für unser Niederösterreich“ in der Glanzstoff-Konerei ein. „Egal, wo jeder Einzelne von uns noch im Mai gestanden ist: Jetzt sind wir wieder geeint, jetzt ziehen wir wieder alle an einem Strang – und zwar alle in eine Richtung“, betonte Hergovich, der als Unterstützer von Bablers Konkurrenten Hans Peter Doskozil galt. Die SPÖ Niederösterreich „steht stolz, geschlossen und einig hinter dir“, meinte der 34-Jährige in Richtung Babler. Beim nächsten Parteitag werde dieser nicht nur Bundesparteichef, sondern auch Bundeskanzler sein – mehr dazu in Hergovich: „Volle Unterstützung“ für Babler (noe.ORF.at; 6.6.2023).

„Das rote Gsindl lebt“

Der Parteitag sei ein „kraftvolles Lebenszeichen“ der niederösterreichischen Sozialdemokratie – „oder – um es mit den freundlichen Worten unserer Landeshauptfrau (Johanna Mikl-Leitner, ÖVP, Anm.) zu sagen: Das rote Gsindl lebt! Mit uns ist zu rechnen!“, sagte Hergovich, der mit seiner Rede auch für den ein oder anderen Lacher unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sorgte.

Der frühere AMS-Niederösterreich-Chef dankte seinem Vorgänger Schnabl, der die niederösterreichische SPÖ mit großem Einsatz durch eine besonders schwierige Zeit geführt habe. „Wenn ihr mich wählt, wäre ich der jüngste Vorsitzende, den die SPÖ Niederösterreich jemals hatte“, wandte sich der 34-Jährige vor der Abstimmung an die Genossen. Er werde immer dafür kämpfen, „dass es der normalen Bevölkerung, den arbeitenden Menschen, denen, die es sich nicht richten können, besser geht“.

Babler und Hergovich beim SPÖ-NÖ-Landesparteitag
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Der neue SPÖ-Bundesparteichef und der neue SPÖ-Landesparteichef in Niederösterreich: Andreas Babler und Sven Hergovich

Viel Kritik übte Hergovich an der Volkspartei, die Niederösterreich als ihr Eigentum sehe. „Für mich ist es einfach nur meine Heimat.“ Ziel sei, „endlich die Allmacht der ÖVP in diesem Land zu brechen“. Zu den gescheiterten Verhandlungen über ein Arbeitsübereinkommen nach der Landtagswahl meinte er, die Volkspartei „wollte von Anfang an eine Koalition mit der FPÖ“ und habe mit der SPÖ „scheinverhandelt“: „Wahr ist: Die ÖVP hat die Menschen im Land angelogen“, dafür werde sie bei der nächsten Wahl die Rechnung bezahlen müssen.

Parteireform soll SPÖ modernisieren

Hergovich will als „Kontroll-Landesrat“ agieren, „ganz genau hinschauen, wo jeder Cent hinfließt“ und „wo in Niederösterreich das Geld versickert“, damit das Geld wieder für Dienstleistungen für die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher verwendet werde. Zu viele Mittel würden für Landesgesellschaften, Werbemittel und Förderungen verwendet werden, das „müssen wir und werden es beenden“, erklärte der Sozialdemokrat. Der Neo-St.-Pöltner ist in der Proporz-Landesregierung als Landesrat für kommunale Verwaltung und Baurecht zuständig.

„Wir sind nicht das Bordell des Superreichen. Wir sind nicht die Hure der Reichen“, hielt Hergovich fest. Während die Menschen mit steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen sowie Miet- und Wohnkosten konfrontiert seien, ließen die Regierenden die Bevölkerung im Stich. Die Lösungen würden auf dem Tisch liegen: Gas- und Strompreisdeckel, Heizkostenstopp, Streichung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und Mietpreisbremse. Die SPÖ kämpfe dafür, „dass man sich das Leben endlich wieder leisten kann“.

Hergovich forderte u. a. Löhne und Pensionen, von denen man leben kann, Jobgarantie für Langzeitarbeitslose in ganz Niederösterreich, Gleichstellung von Frauen und Investitionen in den ländlichen Raum. Weiters bekannte er sich zu einem ambitionierten und verantwortungsvollen Klimaschutz. Nachholbedarf sieht der SPÖ-Politiker bei der Kinderbetreuung.

Sven Hergovich
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Hergovich will als „Kontroll-Landesrat“ agieren: „Werde ganz genau hinschauen, wo jeder Cent hinfließt“

Eine Parteireform soll die SPÖ Niederösterreich demokratisieren und modernisieren, auch die Rolle und der Einfluss der Jugend sollen gestärkt werden. „Ich möchte daran arbeiten, dass unsere Partei jünger und weiblicher wird“, betonte Hergovich.

Babler will „niemanden zurücklassen“

Genau drei Wochen nach dem Auszählungsdebakel beim SPÖ-Sonderparteitag in Linz trat Babler beim Landesparteitag in seinem Heimatbundesland ans Rednerpult. Der Bundesrat und Bürgermeister von Traiskirchen (Bezirk Baden) betonte: „Wir können Wahlen nur gewinnen, wenn wir Menschen in Stadt und Land von der Sozialdemokratie überzeugen. Wir müssen gemeinsam raus aus den Sälen, aus den Hinterzimmern, aus den Strategiebesprechungen, auf die Plätze, die Straßen, in die Fabriken“, sagte Babler, der ebenso wie Hergovich viel Applaus bekam. Es sei wichtig, „niemanden zurückzulassen“: „Es wird niemals radikal für mich sein, auf der Seite unserer Leute zu stehen.“

„Diese Regierung ist eine Regierung der Reichen“, meinte Babler mit Blick auf die kika/Leiner-Insolvenz. Die Freiheitlichen „wollen mit aller Macht an den Futtertrog“, das gelte auch für die Volkspartei in Land und Bund. Die Sozialdemokratie müsse „bestimmendste und stärkste Kraft sein“, um ÖVP und FPÖ von der Regierung fernzuhalten. Nach dem SPÖ-internen Wahlkampf werde die Partei demnächst die Grenze von 150.000 Mitgliedern wieder überschreiten.

Der St. Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler rief als „Hausherr“ in seiner Begrüßung zur Geschlossenheit in der Partei auf. Es gelte, auf die „Unfähigkeit der Bundesregierung“ aufmerksam zu machen, Gegenkonzepte aufzuzeigen sowie eine Koalition „mit Kickl und Co.“ auf Bundesebene zu verhindern.

Historisches Debakel bei Landtagswahl

Hergovich hat nach dem Desaster bei der Landtagswahl Franz Schnabl an der Spitze der SPÖ Niederösterreich abgelöst. Die Sozialdemokraten hatten am 29. Jänner lediglich 20,65 Prozent verbucht (minus 3,27 Prozentpunkte). Damit wurde das schlechteste Ergebnis aller Zeiten (zuvor 21,57 Prozent im Jahr 2013) eingefahren. Zudem belegte die SPÖ erstmals Platz drei hinter der FPÖ. Der 34-Jährige wurde am Tag nach der Landtagswahl von Präsidium und Vorstand einstimmig zum Nachfolger von Schnabl designiert – mehr dazu in SPÖ-Spitze: Hergovich folgt auf Schnabl (noe.ORF.at; 30.1.2023).

Der 64-jährige Schnabl blickte auf seine Zeit als Landesparteivorsitzender zurück und wünschte seinem designierten Nachfolger „alle unsere Unterstützung und viel Kraft“. Schnabl, der nun als „einfacher“ Abgeordneter im Landtag sitzt, hatte im Juni 2017 bei seiner ersten Wahl zum Landesparteivorsitzenden 98,8 Prozent erreicht. Im September 2018 waren es 86, im Oktober 2022 schließlich 89 Prozent.

Glückwünsche für Hergovich kamen von der Bundespartei und auch von der oberösterreichischen Landespartei. Der Landesgeschäftsführer der ÖVP NÖ, Bernhard Ebner, reagierte ebenfalls prompt in einer Aussendung auf die Wahl: „Ich empfehle der SPÖ dringend, zu einem konstruktiven Weg für Niederösterreich zurückzufinden und ihre Extrempositionen gegen Land und Landsleute zu überdenken.“