Politik

Grafenwörth: Riedl stellt sich Gemeinderat

Grafenwörth steht wegen mehrerer Grundstücksdeals von Bürgermeister Alfred Riedl (ÖVP) seit Wochen in den Schlagzeilen. Am Donnerstag findet die erste Sitzung des Gemeinderates seit Aufkommen der Vorwürfe statt. Doch ein Punkt auf der Tagesordnung findet sich dazu nicht.

Auf der Tagesordnung findet sich weder eine Diskussion über die Vorwürfe gegen Riedl noch ein Misstrauensantrag. Es geht vielmehr um alltägliche Gemeindethemen und Beschlüsse, die der Gemeinderat in Grafenwörth (Bezirk Tulln) dringend treffen muss, hieß es von der Gemeinde. Unabhängig davon kann sich der Ortschef aber jederzeit selbst zu Vorwürfen äußern.

Laut Medienberichten soll Riedl bei mehreren Grundstücksdeals gut verdient haben. Darunter befindet sich das Projekt Sonnenweiher, eine Siedlung rund um einen Foliensee am Rand der Gemeinde. Die Grundstücke wurden 2019 vom Gemeinderat in Bauland umgewidmet. Vier der Grundstücke gehörten Riedl. Mit der Umwidmung und dem anschließenden Verkauf an einen Bauträger soll Riedl rund eine Million Euro verdient haben.

Die Seehäuser am Sonnenweiher
APA/VI-Engineers/Squarebytes
Am Rand der Gemeinde Grafenwörth entsteht derzeit das Projekt Sonnenweiher, 200 neue Häuser rund um einen Foliensee

Nach weiteren Recherchen der „Wiener Zeitung“ stellte sich außerdem heraus, dass Riedl Dutzende weitere Grundstücke in Grafenwörth sehr günstig erworben haben soll. Ob Riedl zu all den Vorwürfen und damit verbundenen Rücktrittsaufforderungen in der Sitzung Stellung nimmt, ist offen. Auf eine Anfrage von noe.ORF.at reagierte der ÖVP-Politiker bisher nicht.

Bürgerliste will neue Verfehlungen thematisieren

Der Chef der Bürgerliste, Helmut Ferrari, will in der Sitzung weitere Verfehlungen aufzeigen. Damit das Projekt Sonnenweiher umgesetzt werden konnte, mussten zuerst die Grenzen der Katastralgemeinden Grafenwörth und Seebarn verschoben werden. Der Gemeinderat stimmte auch dafür. Doch Riedl soll das bisher nur einseitig und damit nicht ordnungsgemäß umgesetzt haben, sagte Ferrari, der auf einen freiwilligen Rücktritt von Riedl hofft: „Damit wieder Ruhe ist.“

Die SPÖ Grafenwörth steht hingegen hinter ihrem Ortschef, sagte Vorsitzender Günter Neubauer: „Wir sind neutral, es ist nichts bewiesen, und er ist nicht verurteilt.“ Außerdem müsse man auch die Leistungen von Riedl anerkennen, etwa „schöne Arbeitsplätze durch die Senecura“, was man „mit jemandem anderen so nicht erreicht“ hätte. Und in Bezug auf die Vorwürfe sagte Neubauer: „Wer würde das nicht machen, er ist sicher nicht der Einzige in Österreich.“

Der Kommunikationsleiter der SPÖ Niederösterreich, Daniel Steinlechner, reagierte auf der Kurznachrichtenplattform Twitter (X) auf die Aussagen seitens der SPÖ Grafenwörth. „Wir halten diese Position für falsch. Der Rücktritt von Riedl ist notwendig und überfällig“, schrieb Steinlechner.

Leise Kritik in der ÖVP

In der ÖVP, die in Grafenwörth die absolute Mehrheit hält, sollen hingegen nicht mehr alle hinter Riedl stehen. Hinter vorgehaltener Hand wird leise Kritik geäußert, doch öffentlich sagen will das keiner. Von anderen Gemeinderäten hieß es nur knapp: „Kein Kommentar.“ Bei der fraktionellen Vorbesprechung sollen die Vorwürfe auch kein Thema gewesen sein.

Die Kritik an Riedl wurde seit Aufkommen der Vorwürfe Anfang Juli zuletzt immer lauter. Der einflussreiche Kommunalpolitiker verlor dadurch in den eigenen Reihen zunehmend an Rückhalt, vor allem auch außerhalb der Gemeinde. Vergangene Woche hieß es, Riedl dürfte sich als Präsident des Gemeindebundes Österreich zurückziehen – mehr dazu in Gemeindebund: Riedl offenbar vor Rückzug (noe.ORF.at; 9.9.2023).