Nach der Explosion einer Kugelbombe mit zwei Toten zu Silvester in Ternitz (Bezirk Neunkirchen) sind eine 17- und eine 18-Jährige am Montag am Landesgericht Wiener Neustadt von den Vorwürfen der grob fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung nicht rechtskräftig freigesprochen worden. Das angeklagte Quartett hatte sich nicht schuldig bekannt.
Die Einzelrichterin sah bei den beiden weiblichen Angeklagten keinen Sorgfaltsverstoß. Sie hätten auch nicht gewusst, welche pyrotechnischen Gegenstände in Tschechien gekauft wurden. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, damit ist das Urteil nicht rechtskräftig. Das Einzelrichterverfahren gegen zwei Brüder im Alter von 18 und 20 Jahren wurde ausgeschieden, neuer Termin ist der 10. Jänner.
Brüderpaar hatte selbst schwere Verletzungen erlitten
Nach Ansicht des Verteidigers der beiden Brüder sind die Geschehnisse als „Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung“ einzustufen, verwies der Jurist auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH). In diesem Zusammenhang soll laut der Richterin nun der Geisteszustand von einem der beiden Todesopfer u. a. anhand von Berufsschulzeugnissen näher beleuchtet werden. Am 10. Jänner ab 13.00 Uhr soll der frühere Lehrherr des Verstorbenen als Zeuge befragt werden.
Feuerwerkskörper stammten aus Tschechien
Eine Silvesterfeier habe „leider ein tragisches Ende genommen“, sagte die Staatsanwältin im Eröffnungsvortrag des ersten Prozesstages. Einige Tage vor dem Jahreswechsel waren die Angeklagten – Brüder im Alter von 18 und 20 Jahren sowie zwei weibliche Jugendliche im Alter von 17 und 18 Jahren – laut Strafantrag mit einem der später Verstorbenen nach Tschechien gefahren, um illegal Feuerwerkskörper zu kaufen. Die Fachkenntnis für die ordnungsgemäße Zündung der beiden Kugelbomben fehlte den Beteiligten.
Die Anklage wirft den vier Jugendlichen grob fahrlässige Tötung sowie fahrlässige Körperverletzung vor. Die Kugelbomben waren in der Silvesternacht auf einer Wiese in Ternitz (Bezirk Neunkirchen) in Plastikrohren platziert und angezündet worden. Beim kleineren Feuerwerkskörper gab es keinen Zwischenfall. „Die zweite Zündung war die verheerende und die tödliche“, sagte die Staatsanwältin. Die Kugelbombe zündete sofort.
Ein 18-Jähriger, der sich bei der Explosion in unmittelbarer Nähe des Feuerwerkskörpers aufgehalten hatte, starb an Ort und Stelle. Ein Gleichaltriger erlag wenige Tage nach dem Vorfall im Krankenhaus seinen Verletzungen. Die beiden männlichen Angeklagten wurden mit schweren Blessuren in Intensivstationen eingeliefert. Die anderen beiden wollten das Abschießen aus sicherer Entfernung filmen und blieben unverletzt.
Die größere Kugelbombe zündete sofort. „Keiner von uns hatte die Möglichkeit, sich umzudrehen oder wegzulaufen“, schilderte der 20-jährige Erstangeklagte. Als er nach der Explosion wieder die Augen geöffnet habe, habe er Feuer gesehen.
„Jugendlicher Leichtsinn“
Der Rechtsanwalt der Brüder sprach von einem „unglaublich tragischen Fall“, es handle sich um „jugendlichen Leichtsinn, der in einer Tragödie endete“. Seine Mandanten seien zum Sachverhalt geständig. Rechtlich seien die Geschehnisse aber als „Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung“ einzustufen, verwies der Verteidiger ebenso wie der Rechtsanwalt der 17-Jährigen auf eine OGH-Entscheidung und beantragte einen Freispruch.
Die 18-Jährige war laut ihrem Verteidiger nicht geständig. Dass die anderen Jugendlichen Feuerwerkskörper kaufen wollten, sei erst im Auto besprochen worden. Einen gemeinsamen Plan habe es nicht gegeben, entgegnete er den Aussagen der Staatsanwältin. Die Mädchen seien einkaufen und Kaffee trinken gegangen, während die Kugelbomben gekauft wurden, sagte der Rechtsanwalt, auch an Vorbereitungshandlungen zur Zündung hätten sie sich nicht beteiligt. Seiner Mandantin sei keine strafbare Handlung vorzuwerfen.
Risiko unterschätzt
Der 18-Jährige war beim Kauf der Kugelbomben dabei gewesen und hatte gewusst, dass es sich um illegale Feuerwerkskörper handelte. „Dass es so extrem enden kann, hab ich mir nicht gedacht“, meinte er. Inwiefern er an der Zündung beteiligt war, konnte der 18-Jährige nicht mehr sagen. Sein Bruder hatte die Feuerwerkskörper seiner Aussage zufolge erst zu Silvester „auf dem Weg zum Rohr“ gesehen.
„Mir war in diesem Augenblick die Gefahr nicht bewusst“, das sei aber jetzt im Nachhinein „definitiv“ der Fall, sagte der 20-Jährige. Den Warnhinweis in deutscher Sprache hatten die beiden Brüder nicht gesehen. Die zwei Mädchen hatten das Zünden der Kugelbomben seiner Aussage zufolge von weiter weg beobachtet, auch beim Kauf seien diese weder beteiligt noch in der Nähe gewesen.
„Komisches Gefühl“ vor Zündung
Die 18-Jährige hatte laut ihren Angaben am Silvesterabend kurz vor Mitternacht von den Kugelbomben erfahren. An der Vorbereitung zur Zündung sei die Angeklagte nicht beteiligt gewesen. Sie sei gebeten worden zu filmen. „Ich hab schon ein komisches Gefühl gehabt“, sagte die Beschuldigte. Deshalb habe sie die anderen auch aufgefordert, die zweite Kugelbombe nicht zu zünden.
Durch den Vorfall habe sie nun Angst und Panik, wenn Böller geschossen werden, sagte die 18-Jährige. Sie appellierte auch an eine Schulklasse, die sich unter den Zuhörern befand, von Feuerwerkskörpern Abstand zu halten und das Zünden Experten mit Fachwissen zu überlassen. „Ich wünsche niemandem, Bilder zu sehen, was da passiert ist“, sagte die Einzelrichterin.
„Beängstigende Parallelen“
Auf die Gefährlichkeit der Zündung von Kugelbomben hatte zum Jahreswechsel auch der Verband der Pyrotechnker sowie die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt aufmerksam gemacht. Denn „beängstigende Parallelen“ wies der Unfall mit der Causa in Alland (Bezirk Baden) vom 1. Jänner 2022 auf, wo ebenfalls ein Jugendlicher durch illegale Böller ums Leben kam. Eine Person wurde deshalb im Vorjahr u. a. wegen grob fahrlässiger Tötung verurteilt.
Die Behörde war somit innerhalb von zwei Jahren mit der Aufklärung zweier derartiger Vorfälle befasst, die drei Tote und mehrere Verletzte gefordert hatten. Barbara Haider, Leiterin der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, bezeichnete Kugelbomben im Frühjahr als „tödliche Fallen“ und als „Suizid mit Anlauf“. Der Sprecher der Pyrotechniker, Rudolf Jost, forderte damals härtere Strafen für illegale Böller.
Kampagne zur sicheren Verwendung
Damit ähnliche Fälle heuer verhindert werden können, initiierte der Fachverband der Pyrotechniker gemeinsam mit dem Innenministerium und dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) die Kampagne „Lass es krachen! Aber richtig!“, um auf die Gefahren hinzuweisen. Die Polizei kontrolliert an der Grenze zu Tschechien bereits seit November stichprobenartig den Verkehr, um illegale Importe zu unterbinden.
Auf diese Weise waren auch die Jugendlichen in Ternitz an die Böller gekommen. Im Fall einer Verurteilung drohen bis zu drei Jahre Haft.