Kaimankopf auf Ledertasche
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Wissenschaft

Wenn auf der Tasche ein Kaiman-Kopf prangt

846 geschützte Tier- und Pflanzenfunde hat der Zoll am Flughafen Schwechat zwischen 2012 und 2022 aus dem Verkehr gezogen. Der Schmuggel mit illegalen Wildtierprodukten floriert, die Auswirkungen auf die Fauna sind dramatisch, warnen Experten.

Zwei Hunde des Zolls am Flughafen Schwechat sind speziell auf die Suche von Wildtierprodukten ausgebildet: Sie können lebende oder tote Tiere in Koffern erschnüffeln. Laut dem Artenschutzexperten des Zolls, Thomas Joszt, halte sich die Zahl der Aufgriffe relativ konstant. Ein bis zwei Mal pro Jahr gäbe es spektakuläre Funde mit teils noch lebenden exotischen Tieren. Der Flughafen Schwechat (Bezirk Bruck an der Leitha) liege damit im Vergleich zu anderen Flughäfen im europäischen Mittelfeld.

International werden seltene Tier- und Pflanzenarten durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) geschützt. Über 36.000 Arten fallen unter dessen Schutz. Häufig sind es Lederprodukte, Häute oder Jagdtrophäen, die dem Zoll im Gepäck der Reisenden auffallen. Nicht selten ist schon mit bloßem Auge ersichtlich, dass es sich um eine geschützt Art handelt, etwa wenn der Kopf eines Babykaimans auf einer Tasche prangt. Aber nicht immer ist die Lage so einfach: Bei Unsicherheiten wird die Ware dem Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien zur weiteren wissenschaftlichen Bestimmung übergeben.

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Kobra
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Beliebt sind ausgestopfte Kobras…
Kobras geschmuggelt ausgestopft
ORF/Tobias Mayr
… die in großen Mengen am Flughafen Schwechat aufgegriffen wurden…
Schlangenwein
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…teilweise eingelegt als Schlangenwein, dem abergläubische Menschen angebliche Heilkräfte zuschreiben.
Kaiman Tasche
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Kaimane und Krokodile werden häufig für die Lederverarbeitung getötet
Reptilleder Taschen
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Nicht immer ist auf den ersten Blick erkennbar, ob es sich um eine Schlangenhaut oder Kunstleder handelt
Schlangenleder Schuhe
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Solche Fälle werden im Naturhistorischen Museum Wien einem DNA Test unterzogen
Krokodilleder Mantel
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Dieser Pelzmantel hat Intarsien aus Krokodilleder

Achtung beim Souvenirkauf

Die Exemplare landen im NHM in den Händen von Silke Schweiger, Expertin für Wildtierkriminalität. „Der illegale Wildtierhandel ist eines der größten illegalen Geschäfte nach dem Drogenhandel weltweit“, schildert Schweiger. Der Schwarzmarkt floriere, den illegalen Jägern und Händlern spüle das Geschäft Millionen in die Taschen, wie sie sagt. Für die Vielfalt der Fauna in den Herkunftsländern hätte die Wildtierkriminalität dramatische Folgen: „Wenn die Tiere kleinräumig vorkommen und sehr viele Tiere entnommen werden, führt das zu einer drastischen Reduktion der Population oder manchmal zur Auslöschung“, so die Expertin.

Vielfach würden die Produkte als Souvenirs angeboten, ohne Hinweis darauf, dass die Tiere illegal getötet und verarbeitet wurden. „Sämtliche tierische oder pflanzliche Produkte, die im Ausland angeboten werden, sollte man nicht kaufen“, sagt Schweiger. Spätestens am Gepäckband in Schwechat werden die Produkte dann sowieso beschlagnahmt.

Hund Zoll Gepäckband
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Washingtoner Artenschutzabkommen

Das Abkommen schützt seit 1973 rund 6.000 Tier- und über 30.000 Pflanzenarten. Österreich trat dem Abkommen 1982 bei. Sein Ziel ist, das weltweite Artensterben zu bekämpfen.

Schlangen werden lebendig ertränkt

Doch die Einfuhr von Reptilienlederwaren sei nicht nur aus Artenschutzgründen bedenklich. Um Schlangenhäute zu verarbeiten, müssen die Tiere etwa sechs bis zehn Jahre alt werden. „Ein Tier so lange in einer Farm zu halten, ist nicht lukrativ“, erklärt Schweiger, „das heißt, man geht nach draußen, fängt die Tiere und entnimmt sie der freien Wildbahn“.

Die Tiere würden durch einen Schlag auf den Kopf betäubt, sind dadurch meist aber noch nicht tot. „Dann hängt man sie mit einem Haken im Maul auf, führt einen Wasserschlauch ein und befüllt die Tiere mit Wasser bis sie bei lebendigem Leib ertrinken,“ schildert Schweiger. Wenn der Leib gespannt ist, könne die Haut leichter abgezogen werden. „Wenn man ein Wildtierprodukt kauft, muss man sich immer bewusst sein, dass man nicht nur gegen das Artenschutzabkommen verstößt, sondern auch gegen den Tierschutz.“

Lebendige Tiere besonders wertvoll

Besonders lukrativ sei darüber hinaus der Schmuggel von lebenden Tieren, heißt es. „Ein Papagei oder Paradiesvogel, der im Herkunftsland um wenig Geld gekauft werden kann, bringt horrende Schwarzmarktpreise“, erklärt Zoll-Artenschutzexperte Joszt. Zuletzt wurden beispielsweise 74 lebendige Chamäleons am Flughafen Schwechat aufgegriffen, geschmuggelt im Jahr 2021, versteckt in Plastikdosen und Socken.

„Das sind wechselwarme Tiere. Das bedeutet, dass die Tiere schon unterkühlt ankommen, nicht getränkt sind und sich auch in dementsprechend schlechtem Zustand befinden“, so die Wildtierexpertin. Der Tiergarten Schönbrunn übernahm den Fund der Chamäleons, viele überlebten und zeugten sogar zahlreiche Junge – mehr dazu in Erneut Nachwuchs bei Schmuggel-Chamäleons (wien.ORF.at; 17.2.2022).

Chamäleons geschmuggelt
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Die 2021 in Schwechat aufgegriffenen Chamäleons wurden zum Teil in Socken geschmuggelt

NÖ: Greifvögel von Wildtierkriminalität betroffen

Doch Wildtierkriminalität ist nicht allein ein Schmuggel-Phänomen. In Niederösterreich sind davon besonders illegal getötete Raubvögel betroffen, erklärt Hans-Martin Berg, Ornitologe im NHM.

Die Vogelschutzinitiative BirdLife zählte zwischen 2016 und 2022 österreichweit 203 illegal getötete Wildvögel, am häufigsten im Verhältnis zu ihrem Vorkommen seien Rotmilane, Seeadler und Kaiseradler tot aufgefunden worden.

„Betroffen sind vor allem Greifvögel, weil in Teilen der Jägerschaft immer noch die traditionelle Meinung herrscht, dass Greifvögel als Beutetiere Konkurrenten sind“, beobachtet Berg. Besonders häufig komme es zu Konflikten in Niederwildrevieren. „Ein Kaiseradler schlägt nun mal Hasen oder Fasane, ein Rotmilan kann einen jungen Fasan mitnehmen und das will man nicht akzeptieren“, sagt der Ornitologe.

Junger Kaiseradler
Matthias Schmidt
Besonders Kaiseradler werden in Niederösterreich häufig Opfer von Verfolgung

Dazu komme, dass sich die Landschaften in den vergangenen 100 Jahren massiv verändert hätten. „Das Weinviertel ist eine völlig ausgeräumte Agrarlandschaft“, sagt Berg: „Wir haben viele Hecken verloren, Raine verloren, wir haben Brachen verloren und das Niederwild ist natürlich in einer exponierten Situation.“ Das verstärke die Wahrscheinlichkeit von Übergriffen aus der Jägerschaft.

Wildtierkriminalität kein Kavaliersdelikt

Berg plädiert dafür, dass Jägerschaft, Landwirtschaft und NGOs gemeinschaftlich die Lebensbedingungen für Niederwild verbessern, indem etwa mehr Hecken und Raine angelegt werden. Darüber hinaus sei es wichtig, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Wildtierkriminalität kein Kavaliersdelikt sei, fordert Berg. Birdlife Austria weist daraufhin, dass Wildtierkriminalität nicht nur als Verwaltungsübertretungen sondern auch als Vergehen nach dem Strafgesetzbuch geahndet werden könne. Je nach Delikt könnten Geld- oder Haftstrafen von bis zu drei Jahren verhängt werden.

Im Naturhistorischen Museum wird dieser Auftrag bereits wahrgenommen. Schulklassen können Workshops zu den Auswirkungen von Wildtierkriminalität besuchen. „Es ist sehr erschreckend, dass vor allem junge Menschen sehr wenig über Wildtierkriminalität wissen“, meint Schweiger – egal ob sie am Gepäckband oder am Wegesrand vorkommt.