Margit Göll
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„Interview am Samstag“

Bundesratspräsidentin Göll rät Frauen zu „mehr Mut“

Mit Jänner hat Niederösterreich den Vorsitz im Bundesrat übernommen, neue Präsidentin ist Margit Göll (ÖVP). Im Interview mit noe.ORF.at spricht sie über ihre Ziele und Vorhaben, die Bedeutung Europas und rät Frauen zu „mehr Mut“, um aktiv in der Politik mitzuwirken.

Mit 1. Jänner übernahm Margit Göll das Amt der Bundesratspräsidentin. Zuvor war sie bereits als Vizepräsidentin in einem erstmals rein weiblichen Vorsitzteam tätig, unter der Kärntner Präsidentschaft von Claudia Arpa (SPÖ) und neben der weiteren Vizepräsidentin Doris Hahn (SPÖ).

Die Waldviertlerin ist ausgebildete Elementarpädagogin, arbeitete in diesem Bereich zuletzt als Kindergarteninspektorin, ist seit 2010 Bürgermeisterin in Moorbad Harbach (Bezirk Gmünd) und war von 2016 bis 2023 Abgeordnete zum Niederösterreichischen Landtag. Nach der letzten Landtagswahl verlor sie ihr Mandat.

Bis Juni liegen erstmals der Bundesrat und die Landeshauptleutekonferenz in niederösterreichischer Hand von zwei Frauen: mit Göll als Bundesratspräsidentin und Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) an der Spitze der Landeshauptleute. Beide übernahmen ihre Ämter am Dienstag bei einer offiziellen Staffelübergabe im Palais Niederösterreich in Wien – mehr dazu in „Mikl-Leitner übernimmt Vorsitz der LH-Konferenz“ (noe.ORF.at; 9.1.2024).

Margit Göll kündigte im Rahmen des offiziellen Festaktes an, den Fokus ihrer Arbeit als Bundesratspräsidentin in erster Linie auf europäische Themen und Fragestellungen legen zu wollen. In ihre Amtszeit fällt auch die Wahl zum Europäischen Parlament von 6. bis 9. Juni. Welche Projekte sie in den kommenden sechs Monaten verfolgen möchte, wie sie ihren Vorsitz anlegt und wieso Frauen in politischen Spitzenfunktionen immer noch auffallen, erörterte sie im Interview in ihrem neuen Präsidialbüro im Parlament in Wien.

noe.ORF.at: Frau Präsidentin, bei der offiziellen Übergabe Ihres Amtes im Palais Niederösterreich haben Sie gesagt, dass Sie Europa ins Zentrum Ihrer Arbeit stellen wollen. Die nächste EU-Wahl steht an. Bei der letzten Europawahl hatte Österreich eine Wahlbeteiligung von nicht einmal 60 Prozent (59,8 Prozent; Anm.). Zeigt das, dass die Europäische Union den Menschen immer noch recht weit entfernt erscheint?

Margit Göll: Das mag sicherlich so sein. Darum habe ich mir auch in meiner Präsidentschaft das Motto gesetzt: „Gemeinsam über Grenzen, Europa verbindet“, weil es mir persönlich ein sehr, sehr wichtiges Anliegen ist. Ich bin Bürgermeisterin in einer Grenzregion und konnte hier schon sehr viel umsetzen. Das ist für uns alle ein sehr wichtiges Thema.

noe.ORF.at: Das nächste Thema, das Sie erwähnt haben, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da wird Ihnen als Bürgermeisterin und erst recht als Bürgermeisterin im Waldviertel sicher schon begegnet sein, dass für viele Familien die Vereinbarkeit heute noch immer schlichtweg nicht möglich ist.

Göll: Das ist auch ein sehr, sehr wichtiges Thema. Gerade hier in diesem Bereich haben die Länder schon sehr viele Maßnahmen gesetzt – auch Niederösterreich. Aber es wird ein wichtiges Thema auch für die Zukunft werden, um die Familien und speziell auch die Frauen bestmöglich zu unterstützen.

noe.ORF.at: Mit Ihnen liegt der Vorsitz jetzt in niederösterreichischen Händen. Weil Sie sagten, Sie wollen Niederösterreich auf Bundesebene zu Gehör verhelfen: Was sind denn die niederösterreichischen Interessen, die sich vielleicht von anderen Bundesländern unterscheiden?

Göll: Ich habe mir für meine Präsidentschaft drei Schwerpunkte gesetzt. Das ist zum einen der ländliche Raum, aber auch die Jugend im ländlichen Raum. Zum zweiten ist das die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und drittens die Stärkung des Miteinanders. Das geht auch Hand in Hand mit dem Vorsitz der Landeshauptfrau in Niederösterreich (in der Landeshauptleutekonferenz; Anm.).

noe.ORF.at: Kommen wir zum Thema Frauen und Politik: Die Zahlen sind hier etwas ernüchternd. In Niederösterreich haben wir unter allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern einen Frauenanteil von 14 Prozent, im Landtag ist weniger als jede vierte Person eine Frau. Auch Sie haben nach der letzten Landtagswahl Ihr Mandat im Landtag verloren. Schmerzt das nicht doppelt?

Göll: Ich glaube, wir Frauen müssen selber daran arbeiten, andere Frauen für diese Tätigkeit zu begeistern. Es ist eine wundervolle Aufgabe, in einer Gemeinde wirken zu können und etwas gestalten zu können. Das verlangt natürlich sehr viel Zeit, aber am Ende des Tages macht es sehr viel Freude und man kann hier sehr viel bewirken. Wir Frauen müssen uns ganz einfach viel mehr zutrauen.

Margit Göll im Gespräch mit Veronika Berger
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Zu mehr Vertrauen in die Politik und auch in die eigene Partei will die ÖVP-Bundesratspräsidentin u.a. mit einer „achtsamen“ Vorsitzführung beitragen

noe.ORF.at: Sie kommen aus der ÖVP. Die letzten Umfragewerte der ÖVP sind aus Ihrer Sicht ja vermutlich nicht allzu erfreulich. Wo fehlt es denn da an Vertrauen und warum?

Göll: Wir sind als Politikerinnen und Politiker Vorbilder und das sollten wir jeden Tag auch nach außen hin leben und unser Leben danach gestalten. Ich glaube, jeder von uns muss sich auch gewisse Regeln setzen. Darum zählt die Stärkung des Miteinanders zu meinen zentralen Punkten. Auch in meiner Vorsitzführung möchte ich betont auf die Sitzungsführung achten, auf die Achtsamkeit, auf Respekt und Wertschätzung. Und dann, glaube ich, gelingt es wieder, dass die Menschen Vertrauen in die Politik setzen.

noe.ORF.at: Im vergangenen Jahr wurden 184 Gesetze beschlossen. Bei keinem hat der Bundesrat ein Veto eingelegt. Bei 226 Gesetzesanträgen kam nur einer aus dem Bundesrat. Verstehen Sie da die Kritik mancher, die die Notwendigkeit des Bundesrates ein bisschen hinterfragen?

Göll: Der Bundesrat hat eine wichtige Aufgabe und eine wichtige Rolle in unserem Land: Er ist die Länderkammer, er vertritt die österreichischen Regionen, Gemeinden und Städte, er ist Europakammer, vertritt natürlich auch die Länder in EU-Themen und zudem ist er auch eine wichtige Zukunftskammer und Ideenschmiede für den ländlichen Raum, für das Land, für die Länder in Österreich – beispielsweise bei den Themen Digitalisierung, Jugend oder Pflege.

noe.ORF.at: Sehen Sie hier trotzdem irgendwo ein Rädchen, bei dem Sie finden, dass man hier reformieren, ansetzen und weiterentwickeln könnte?

Göll: Ich glaube, es ist gut so, dass es in Österreich zwei Kammern gibt. Und es gibt ja viele Länder in Europas, die zwei Länderkammern haben. Das soll auch so bleiben.