Sven Hergovich beim SPÖ-NÖ-Landesparteitag
APA/Tobias Steinmaurer
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POLITIK

Turbulentes erstes SPÖ-Jahr mit Hergovich

Vor einem Jahr übernahm Sven Hergovich die nach der Landtagswahl angeschlagene Landes-SPÖ. Diese hatte ihr schlechtestes Wahlergebnis eingefahren. Hergovich wurde als politisches Talent in die Führungsposition gehoben und durchlebte ein turbulentes Jahr.

„Macht braucht Kontrolle“ – ein Slogan, den die FPÖ schon in den 70er-Jahren plakatierte und den später Thomas Klestil von der ÖVP ebenso verwendete wie Norbert Hofer von der FPÖ, für ihre jeweiligen Bundespräsidentschaftskandidaturen. Anno 2024 ist die Kontrolle das Dogma der SPÖ, deren Verhandlungen für die Landesregierung mit der ÖVP gescheitert waren.

Fast schon legendär geworden, der Ausspruch des neuen SPÖ-Chefs Sven Hergovich, er würde sich eher eine Hand abhacken lassen als seine Kernforderungen aufzugeben. Hergovichs Hand ist noch dran, Regierungspartner der ÖVP ist die FPÖ und seither inszeniert sich der SPÖ-Chef als „Kontroll-Landesrat“ mit kantigen Oppositionsansagen von der Regierungsbank aus – denn durch das Proporzsystem gehört er der Landesregierung an.

SPÖ-Zentrale in St. Pölten, Hergovich-Plakat
ORF
Ein Slogan als Dauerbrenner

Ein politischer Spagat – dazwischen setzt die Partei überraschend auch auf versöhnliche Töne, etwa zuletzt Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander, der die ÖVP lobte und sagte, sie habe sehr viel geleistet. Hergovich kann sich eine Zusammenarbeit mit der ÖVP vorstellen, betonte er zuletzt in der Tageszeitung „Die Presse“.

Intern stieß Hergovich eine Parteireform an, mit der er den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler beauftragte. Dieser wurde aber inzwischen Bundesparteivorsitzender und hat nun andere Prioritäten. Bekannt wurde vorerst nur ein Sparkurs: Wegen des Wahlergebnisses gibt es weniger Parteienförderung, Personal musste gehen. Claudia Schubert, stellvertretende Chefredakteurin des ORF Niederösterreich, traf Sven Hergovich zum Interview für eine Bilanz ein Jahr nach der Parteiübernahme.

SPÖ würde gerne Wohnpaket mit ÖVP-FPÖ beschließen

noe.ORF.at: Herr Hergovich, wie ist denn eigentlich der Kurs der SPÖ Niederösterreich, wenn wir vom Landesgeschäftsführer hören, dass er die Leistungen der ÖVP lobt, sie selbst andererseits aber kaum ein gutes Haar am schwarz-blauen Bündnis lassen?

Sven Hergovich: Wir fahren einen konstruktiven Kurs, wo wir unsere Kontrolltätigkeit, die ich auch persönlich als Kontrolllandesrat in dieser schwarz-blauen Landesregierung wahrnehme, leben. Und ich möchte die Gelegenheit nutzen, auch die schwarz-blaue Koalition zur Zusammenarbeit einzuladen. Wir würden sehr, sehr gerne, zum Beispiel gemeinsam ein Paket beschließen, um Wohnen in diesem Land wieder leistbar zu machen.

Wir können uns auch gut vorstellen, im Bereich der Gesundheitsversorgung, wo wir sehen, dass die Gesundheitsversorgung für die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher immer schlechter wird, zusammenzuarbeiten, unsere Expertise auch für Schwarz-Blau zur Verfügung zu stellen. Weil am Ende des Tages geht es darum, das Beste für Niederösterreich zu erreichen. Da arbeite ich in meiner Rolle als Kontrolllandesrat natürlich über meine Kontrolltätigkeit, aber da sind wir auch bereit, zum Wohle der Niederösterreicherinnen und Niederösterreich zusammenzuarbeiten mit Schwarz-Blau.

noe.ORF.at: Gibt es da eine Gesprächsbasis, wenn Sie sagen, Sie wollen zusammenarbeiten?

Hergovich: Die persönliche Gesprächsbasis ist an und für sich gut. Was wir schon erleben, ist, dass die Mächtigen bei Schwarz und Blau unsere Kontrolltätigkeit nicht besonders schätzen und es gern hätten, wenn sie weiterhin alles im Intransparenten, im Dunklen beschließen könnten. Das wird es mit uns aber nicht spielen.

Ich sehe meine Rolle schon darin, Transparenz in dieses schwarz-blaue System zu bringen. Das freut nicht immer alle. Aber abseits von dem gibt es persönlich eine gute Gesprächsbasis. Und ich bin deshalb auch zuversichtlich, dass wir uns gemeinsam großen Projekten widmen können und zum Beispiel gemeinsam etwas dafür tun, dass Wohnen in dem Land endlich wieder leistbar wird. Oder, dass wir zum Beispiel gemeinsam die EVN-Gagen-Exzesse beenden und das viele Geld, das jetzt in Luxusvorstände investiert wird, lieber dafür verwenden, endlich die Strom- und Gaspreise in diesem Land zu senken.

noe.ORF.at: Jetzt haben Sie in einem Interview im Jänner gesagt, Sie würden sich wünschen, dass SPÖ und ÖVP wieder verstärkt zusammenarbeiten. Da war wohl die Bundesebene gemeint. Aber es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Kritik kommt, vor allem an der ÖVP. Wie kann man sich diese Zusammenarbeit dann vorstellen? Kann man eine Gesprächsbasis doch wieder aufbauen?

Hergovich: Also mir geht es einfach um die Sache und in vielen Punkten hat das ja funktioniert. Denken Sie zum Beispiel an den Heizkostenzuschuss. Da wollte Schwarz-Blau einen Zuschuss von 150 Euro zahlen. Wir haben 300 vorgeschlagen und am Ende haben wir uns in der Mitte auf 225 Euro geeinigt. Das ist mehr Geld, das wir hier für betroffene Familien rausgeholt haben.

Oder die Begleitkosten für Kinder, die ins Spital müssen, wo die Eltern in Niederösterreich die höchste Gebühr von allen Bundesländern zu zahlen haben. Ich habe vor einigen Wochen auf dieses Thema aufmerksam gemacht und mittlerweile ist Schwarz-Blau gemeinsam mit uns bereit, hier die Gebühren zu senken. Zwar nicht so weit, wie wir es wollten – wir wollten sie komplett abschaffen – aber immerhin haben wir eine Gebührensenkung erreicht.

noe.ORF.at: Aber würden Sie das als Ihren Erfolg verbuchen? Der Heizkostenzuschuss, die Krankenhausaufenthaltsgebühr? Ist das Ihr Erfolg?

Hergovich: Es geht nicht darum, wessen Erfolg es ist. Ich war zumindest der Erste, der das vorgeschlagen hat. Aber ich teile das auch sehr gerne und freue mich, dass Schwarz-Blau hier meine Vorschläge aufgegriffen hat und uns unterstützt.

Kritik an „schwarz-blauen Partynächten“ in Kitzbühel

noe.ORF.at: Kommen wir zu diesem Jahr. Es stehen zwei große Wahlen an: Nationalratswahl und EU-Wahl (9. Juni). Wann die Nationalratswahl ist, wissen wir noch nicht. Die SPÖ will früher wählen, hat noch gestern einen Neuwahl-Antrag eingebracht. Wie sehen Sie denn die SPÖ gerüstet? Weil der große Boost mit dem neuen Chef ist – wenn man die Umfragen anschaut – noch ausgeblieben.

Hergovich: Ich bin jeden Tag in Niederösterreich unterwegs und treffe immer viele Menschen, die das eigentlich nicht richtig finden, dass Schwarz-Blau das Geld der EVN-Übergewinne dafür verwendet, Luxusvorstände zu schaffen, statt wie von uns Roten vorgeschlagen, die Mittel dafür zu verwenden, die Strom- und Gaspreise zu senken. Mir erzählen jeden Tag Menschen, dass sie es nicht richtig finden, dass Schwarz-Blau die Wohnbauförderung kürzt, sodass heute in Niederösterreich am wenigsten gebaut wird im geförderten Bereich. Und die sagen, sie wollen lieber, dass wir leistbaren Wohnraum schaffen und schauen, dass man sich das Wohnen in diesem Land leisten kann.

Mir erzählen jeden Tag Menschen, dass sie sagen, sie finden es nicht richtig, wenn Schwarz-Blau das hart erarbeitete Steuergeld der Niederösterreicher für Partynächte in Kitzbühel nach dem Motto „Hanni kann brennen statt Hahnenkammrennen“ verblast, statt das Geld in das marode Gesundheitssystem zu investieren. Sie müssen ja nur mal in Niederösterreich ins Spital, um zu sehen, was dort eigentlich los ist und, dass wir dort wieder mehr Geld investieren müssen.

Ganz viele Niederösterreicher finden unseren Kurs, zuerst die Teuerung zu bekämpfen und in Wirtschaft und Arbeitsmarkt den Standard zu erhalten, das Gesundheitssystem stabilisieren, sichern, retten – die sagen, das ist die richtige Schwerpunktsetzung und das wollen sie auch unterstützen.

noe.ORF.at: Das heißt, Sie gehen von Zugewinnen aus?

Hergovich: Das ist das Ziel, ja.

noe.ORF.at: Wann werden wir wählen? Was glauben Sie?

Hergovich: Das weiß ich nicht. Mein Ziel wäre, dass wir möglichst früh wählen, weil wir erleben, dass die Regierung nichts im Kampf gegen die Teuerung tut. Und ich glaube, wir brauchen rasch eine Regierung, die tatsächlich bereit ist, die Teuerung in diesem Land zu stoppen. Ich werde alles dafür tun, dass wir eine solche Regierung auch bekommen.