Chronik

Sonnenweiher: Greenpeace ortet Versagen des Landes

Eine Studie von Greenpeace ortet beim Bauprojekt am Foliensee, dem Sonnenweiher von Grafenwörth (Bezirk Tulln), ein Versagen des Landes beim Bodenschutz. Das Projekt soll laut der Studie, die noe.ORF.at vorliegt, wesentlichen Planungszielen des Landes widersprechen.

Das Bauprojekt am Foliensee, der Sonnenweiher von Grafenwörth, ist seit dem Vorjahr regelmäßig in den Schlagzeilen. Da geht es vor allem um die Vorgänge in der Gemeinde. Bürgermeister Alfred Riedl (ÖVP) soll mit seiner privaten Immobilienfirma durch Grundstücksdeals und anschließenden Umwidmungen durch den Gemeinderat eine Million Euro verdient haben – mehr dazu in Häuser am Foliensee: Aufregung in Grafenwörth (noe.ORF.at; 5.7.2023).

Jetzt geht es um die Rolle der Behörden. Auf 28 Seiten analysiert die Studie im Auftrag von Greenpeace hunderte Seiten an Projektunterlagen, Gutachten und Stellungnahmen. Für das Projekt Sonnenweiher musste die Gemeinde die örtliche Raumordnung ändern, das Land als Aufsichtsbehörde musste zustimmen. Zu prüfen war hier, ob etwa die Raumordnungsziele eingehalten werden.

Studienautorin: „Land hätte genauer hinschauen müssen“

Laut der Studienautorin Lisa Weinberger vom Ökobüro hätte das Land hier genauer hinschauen müssen. Die Gemeinde habe das Projekt vor allem mit dem Bevölkerungswachstum begründet, „das eben in dieser Größenordnung gar nicht vorliegt.“ Zum anderen gehe es „um die rechtlichen Änderungen per se, die entweder schlecht oder gar nicht begründet wurden“, sagt Weinberger.

Im Raumordnungsgesetz ist als eine von mehreren Planungszielen angeführt: „Bei der Entwicklung der Siedlungsstruktur ist der Innenentwicklung gegenüber der Außenentwicklung der Vorrang einzuräumen.“ Auch das Land wies in einer Stellungnahme an die Gemeinde mit Blick auf den Boden daraufhin, dass „diese Inanspruchnahme auf ein unbedingt erforderliches Ausmaß zu beschränken ist.“

Die Häuser sind zwar nah aneinander gebaut, „aber die sind jetzt auch nicht mehrstöckig zum Beispiel – und ohne diesen Teich wäre eine viel komprimiertere, verdichtetere Wohnbauweise möglich gewesen", sagte die Studienautorin. Der aus dem Grundwasser gespeiste Foliensee wird als umweltfreundlich dargestellt, ohne Belege vorzuweisen. Zudem wurde das Areal des Bauprojekts als „artenarm“ bezeichnet, obwohl sich in unmittelbarer Nähe ein Europaschutzgebiet befindet.

Land spricht von plausiblen Unterlagen der Gemeinde

Eine weitere Planungsrichtlinie betrifft die Verkehrsanbindung, die laut Gesetz so vorzunehmen ist, dass „ein möglichst hoher Anteil des zusätzlichen Verkehrsaufkommens im Umweltverbund (zu Fuß, Rad, Öffentlicher Verkehr) abgewickelt werden kann.“ Weinberger verweist daruaf, dass außerhalb des Ortskerns gebaut wurde. „Eine Bushaltestelle per se stellt noch keine gute Erreichbarkeit für öffentliche Verkehrsmittel dar. Das Projekt an sich ist eher für Autos als für Öffis konzipiert.“

Bei der zuständigen Abteilung des Landes sieht man das anders. Die Unterlagen der Gemeinde seien alle plausibel und ausreichend begründet gewesen, und: „Das von der Gemeinde angestrengte und beschlossene Widmungsverfahren hat dem Niederösterreichischen Raumordnungsgesetz nicht widersprochen, daher musste es aufsichtsbehördlich genehmigt werden.“

Greenpeace fordert Bodenschutzziel

Greenpeace sieht ein Versagen des Landes beim Bodenschutz. „Diese Studie zeigt, dass Raumordnung nicht dazu da ist, unsere Böden zu schützen“, kritisiert Bodenschutzexpertin Olivia Herzog. Das sei aber dringend nötig: „Wir brauchen fruchtbare Böden für die Versorgungssicherheit, aber auch um dem Artensterben entgegenzutreten.“ Greenpeace drängt Bund, Länder und Gemeinden deshalb auf ein rasches und wirksames Bodenschutzziel.

Zudem fordert Herzog strengere Raumordnungsgesetze – in Niederösterreich sei das zu „schwammig“ – und wirksame Maßnahmen gegen Umweltkorruption durch Grundstücks-Deals. „Der Fall ‚Sonnenweiher‘ zeigt, wie einfach es ist, als Bürgermeister private Profitinteressen mit abstrusen Argumenten durchzuboxen“, beklagt Herzog. Ebenso müsse sich der künftige Vorsitzende des Gemeindebunds zu einem klaren Bodenschutzziel bekennen. Dieser wird am kommenden Montag vom Gemeindebund gewählt.

Nachdem im Sommer 2023 laute Kritik an den „Häusern am Foliensee" aufkam, hat Greenpeace gemäß Umweltinformationsgesetz alle umweltrelevanten Unterlagen zum Fall beantragt und von Ökobüro rechtlich prüfen lassen. Dieses Recht ist laut Weinberger nicht nur auf Umweltorganisationen begrenzt, sondern steht jedem und jeder Person zu. Informationspflichtige Stellen seien Verwaltungsbehörden und unter deren Aufsicht stehende Institutionen oder Unternehmen.

Grüne fordern Gemeindeabgabe

Auch die Grünen sehen durch die Studie in ihrer Kritik am mangelnden Bodenschutz in Niederösterreich bestätigt. Klubobfrau Helga Krismer wiederholt in einer Aussendung ihre Forderung nach einer Zweitwohnsitzerabgabe und betont: „Im Sinne des Bodenschutzes und der Fairness braucht es aus unserer Sicht gleichzeitig ebenso eine Leerstandsabgabe.“ Diese Pro-Kopf-Abgabe soll ausschließlich den Gemeinden zur Verfügung stehen.