NIEDER…STERREICH: PROZESS WEGEN U.A. VERSUCHTEN MORDES GEGEN FRAU, DIE IHREN DAMALS ZW…LFJ€HRIGEN SOHN IM WALDVIERTEL IN EINE HUNDEBOX GESPERRT UND GEQU€LT HABEN SOLL
APA/HELMUT FOHRINGER
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Gericht

Kind in Hundebox: Frauen bekennen sich teilschuldig

Ein zwölfjähriger Bub soll in eine Hundebox gesperrt und gequält worden sein. Seine Mutter und deren Freundin müssen sich seit Montag vor Gericht in Krems dafür verantworten. Sie bekannten sich teilschuldig, den Vorwurf des versuchten Mordes bestreitet die Mutter.

Das Interesse an dem Fall war beim Prozessauftakt am Montag enorm, drei der sieben Sitzreihen im Saal waren für Medienvertreter reserviert – auch noe.ORF.at verfolgte den Prozess live im Gerichtssaal in Krems. Laut dem Gerichtssprecher Ferdinand Schuster war jeder Platz vergeben. Um 9.00 Uhr startete der Prozess. Zunächst war die Staatsanwältin am Wort und betonte, wie sehr sie dieser Fall auch außerhalb der Arbeit beschäftigt habe. Zentrale Fragen in den nächsten Tagen seien aus ihrer Sicht: „Wer sind diese Frauen? Wer steckt hinter diesen Persönlichkeiten, die es schaffen, einem Kind so etwas anzutun?“

Der 33-jährigen Hauptangeklagten wird u.a. versuchter Mord vorgeworfen. Sie bekannte sich teilschuldig. Einer möglichen Komplizin wird Bestimmung zur fortgesetzten Gewaltausübung angelastet, was von der 40-Jährigen zum Teil bestritten wurde. Weitere Anklagepunkte in Bezug auf die Mutter des Buben sind Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie Freiheitsentziehung.

Für die 33-Jährige wurde zudem seitens der Staatsanwaltschaft Krems so wie für die Zweitangeklagte die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt. Die Mutter bestritt den Vorwurf des versuchten Mordes, war aber zu den beiden weiteren Punkten geständig. Die Zweitangeklagte bekannte sich zu Beginn ihrer Befragung entgegen vorheriger Ankündigung schuldig. Sie schränkte diese Verantwortung dann aber ein und betonte, über das gesamte Ausmaß der Taten nicht Bescheid gewusst zu haben.

Hundebox
APA/CHRISTOPHER ECKL
Vor Gericht wurde die Hundebox gezeigt, in die der Bub eingesperrt worden sein soll

Die 33-jährige Alleinerzieherin soll ihren Sohn zumindest von Juli bis November 2022 u.a. geschlagen, gefesselt, geknebelt und ihn wiederholt über Stunden in eine Hundebox (Abmessungen: 57 x 83 x 63 Zentimeter) eingesperrt haben. Zudem soll sie das Kind hungern lassen haben. „Er bettelt um Essen und seine Mutter gibt ihm schlichtweg nichts“, schilderte die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsvortrag.

Staatsanwältin: „Unfassbares Martyrium“

Festgenommen wurde die 33-Jährige im Herbst 2022. Anfang März 2023 klickten dann für die 40-jährige mögliche Komplizin die Handschellen. Die Waldviertlerin wird von der Staatsanwaltschaft zumindest als eine Art Taktgeberin angesehen.

Die Niederösterreicherin soll die 33-Jährige zunächst sozial isoliert und ihr immer wieder Anweisungen zur Bestrafung des Kindes gegeben bzw. die Hauptbeschuldigte in ihrem Verhalten bestärkt haben – persönlich, telefonisch und via Chat-Nachrichten. Über diverse Kommunikationswege dürfte reger Austausch geherrscht haben.

„Die haben sich daran erfreut, dieses Kind zu quälen“, so die Staatsanwältin. Auch der Vorschlag, den Buben in die Hundebox zu sperren, soll von der 40-Jährigen gekommen sein. „Zwei Frauen haben ein Kind beinahe – Gott sei Dank nur beinahe – zu Tode gequält“, sagte die Vertreterin der Anklagebehörde, die gleichzeitig auch von einem „unfassbaren Martyrium“ sowie von „Gräueltaten“ sprach.

Schaltung zu Reporter Stefan Schwarzwald-Sailer (ORF)

Reporter Stefan Schwarzwald-Sailer (ORF) berichtet vom Landesgericht über den Prozess gegen jene Frau, die ihr Kind in eine Hundebox gesperrt und gequält haben soll.

„In den Sog eines bösen Menschen geraten“

Anwältin Astrid Wagner verteidigt die angeklagte 33-jährige Mutter des Buben. Sie skizzierte in ihrem Plädoyer das Bild einer leicht manipulierbaren Person, die nach dem Tod ihrer Mutter „in den Sog eines bösen Menschen“ geraten sei, nämlich der Zweitangeklagten. Der Bezug zur Realität sei dabei völlig verloren gegangen. Wagner gab zu Protokoll, dass ihre Mandantin nicht die medial so präsentierte „Horror-Mutter“ sei.

Der Verteidiger der Zweitangeklagten Sascha Flatz sprach in seinem Vortrag über seine 40-jährige Mandantin und beschrieb die vierfache Mutter als „liebevoll und fürsorglich“. Die Zweitangeklagte habe „gewusst, dass die Mutter völlig überfordert ist und ihr Kind völlig falsch erzieht“, räumte er ein. Seine Mandantin habe Kenntnis über einige der Handlungen gehabt, jedoch nicht gewusst, „dass das in dem Ausmaß passiert“. Generell habe die Erstangeklagte „alle manipuliert“.

Astrid Wagner Verteidigerin
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Anwältin Astrid Wagner verteidigt die angeklagte Mutter, die ihren Sohn misshandelt haben soll

Mutter am Wort: Oft rat- bis sprachlos

Danach war die angeklagte Mutter am Wort. Sie sprach leise, die Richterin ersuchte die Frau lauter zu sprechen. Sie bekannte sich teilschuldig. Die Beziehung zur Zweitangeklagten beschrieb sie als „sehr innige Freundschaft, nichts Beziehungsmäßiges“.

Bei ihrer Befragung wirkte die Mutter des Buben oftmals rat- bis sprachlos. „Die Worte können nicht schlimmer sein als das, was sie bereits begangen haben“, wurde ihr von der vorsitzenden Richterin vorgehalten. Letztlich erinnerte sich die Beschuldigte an ein aus ihrer Sicht generell schwieriges Verhältnis zu ihrem Sohn. Beide hätten auch nicht die Hilfe bekommen, die sie nötig gehabt hätten, blickte die 33-Jährige zurück.

Ziel sei ein „braves Kind“ gewesen

Für die in der Anklage geschilderten Handlungen und Bestrafungsmethoden fand die Waldviertlerin unter Tränen folgende Erklärung: „Dass er mir folgt und dass er das macht, was ich ihm sage.“ Ziel sei ein „braves Kind“ – in schulischer und privater Hinsicht – gewesen, gab die Beschuldigte sinngemäß an. Sie habe sich von einem ominösen Dritten überwacht gefühlt, ihre eigenen Handlungen und Entscheidungen seien stets von der Zweitangeklagten bestimmt worden. Folge geleistet habe sie auch aus Angst vor der 40-Jährigen. „Wenn ich gewusst hätte, wohin das alles führt, hätte ich sie niemals in mein Leben gelassen.“

Im Herbst 2022 sei der Bub rund zwei Drittel der Zeit nicht in der Schule gewesen. Die Fehltage zu begründen, sei „eh schwierig“ gewesen, betonte die Mutter. Bei einem Besuch des Jugendamts am 18. November sei auch bereits Thema gewesen, dass es kalt in der Wohnung gewesen sei.

Zweitangeklagte: „War mit dem Ganzen auch überfordert“

Die Zweitangeklagte räumte ihrerseits dezidiert ein, dass sie die Kindsmutter beauftragt habe, dem Buben morgens regelmäßig Wasser über die Füße zu gießen. Weiters habe sie gewusst, dass der Zwölfjährige von der 33-Jährigen geschlagen werde und mitbekommen, dass das Kind in die Hundebox gesperrt gewesen sei.

Sie berichtete auch von einer gewissen Resignation aufgrund zahlreicher verzweifelter Anrufe ihrer Freundin: „Ich war mit dem Ganzen auch überfordert. Ich weiß, wenn ich zu Polizei gegangen wäre, wäre das alles nicht passiert“, sagte die mutmaßliche Komplizin ebenfalls unter Tränen. „Ich weiß, dass das auch nicht richtig war. Aber ich kann’s leider nicht mehr rückgängig machen.“ Den Vorhalt diverser Chat-Nachrichten durch die vorsitzende Richterin quittierte sie immer wieder mit „ich weiß, dass ich das geschrieben habe“. Im Anschluss wurden vorgelesene Inhalte dann aber von der Beschuldigten wieder abgeschwächt.

Zugespitzt hat sich die Sache von 20. bis 22. November 2022, auf diesen Zeitraum bezieht sich auch der Vorwurf des versuchten Mordes. Mehrmals täglich soll die Mutter ihren damals zwölfjährigen Sohn mit kaltem Wasser übergossen und gleichzeitig über Stunden hinweg die Fenster der Wohnung geöffnet haben. Bei kaltem Wetter senkte sich die Körpertemperatur des unterernährten, bei einer Körpergröße von 1,70 Meter nur mehr rund 40 Kilo schweren Kindes auf 26,8 Grad ab. „Er war in keinem guten Zustand“, räumte die 33-Jährige ein.

Opferanwalt forderte 150.000 Euro Schmerzensgeld

Trotz dieser Lage hat die Mutter keine medizinische Versorgung veranlasst. Auch das sei ihr von der mutmaßlichen Komplizin so aufgetragen worden, gab die Frau an. Vielmehr habe sie wiederholt ihre 40-jährige Freundin angerufen, so der Vorwurf. Die Zweitangeklagte nahm daraufhin Kontakt mit einer Sozialarbeiterin auf und fuhr mit ihr gemeinsam zum Wohnort der Hauptbeschuldigten.

An Ort und Stelle alarmierte die Mutter schließlich die Rettung – allerdings „erst über mehrmaliges Insistieren“ der Sozialarbeiterin, wie es heißt. Das Kind wurde in der Folge in ein Krankenhaus gebracht und auf der Intensivstation behandelt. Der Gesundheitszustand des Buben verbesserte sich später. „Psychisch werden ihn die Folgen aber noch jahrelang begleiten“, blickte der Opferanwalt voraus. Er forderte 150.000 Euro an Schmerzensgeld ein. Laut einer Gutachterin liegt bei dem Buben eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Die Expertin sah beim nun 13-Jährigen zudem die „Wahrscheinlichkeit stark erhöht, dass er zukünftig in seiner Persönlichkeit verformt bleiben wird“.

Nach dem Krankenhaustransport des Zwölfjährigen ging es für die Mutter an die Beweismittelbeseitigung. Sie versuchte eigenen Angaben zufolge in Absprache mit ihrer Freundin, ihr Handy zu zerstören: „Falls die Polizei kommt.“ Ausgemacht wurde auch, gegenseitige Chat-Nachrichten zu löschen.

Gutachten: Frauen zurechnungsfähig

Ein Gutachten attestiert beiden Frauen Zurechnungsfähigkeit, allerdings seien beide gefährlich und weitere Taten zu befürchten. Die Mutter könnte im Fall einer Verurteilung wegen versuchten Mordes bis zu lebenslange Haft ausfassen. Die Strafdrohung für die Mitangeklagte wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin beträgt bis zu zehn Jahre. Fortgesetzt werden soll das Verfahren am (morgigen) Dienstag, Urteile sind für Donnerstag geplant.