Roadhouse in Ybbs-Kemmelbach außen
ORF/Thomas Koppensteiner
ORF/Thomas Koppensteiner
Chronik

Roadhouse-Diebe mussten 150 Euro spenden

Bei der Abschlussparty im Roadhouse in Ybbs-Kemmelbach (Bezirk Melk) haben viele Gäste „Souvenirs“ gestohlen. Der Betreiber rief dazu auf, die Dinge zurückbringen, um einer Anzeige zu entgehen. Dabei soll er aber auch eine Spende von 150 Euro eingefordert haben.

Samstagnacht lud das Roadhouse direkt bei der Autobahnabfahrt Ybbs zur Abschlussparty, die von vielen Gästen aber mit einer Abrissparty verwechselt wurde. Dekoschilder, Inventar und sogar der Kopf eines Gnus, der an einer Wand hing, wurden als „Erinnerungsstücke“ mit nach Hause gestohlen – rechtlich gesehen ein Diebstahl.

Am Sonntag veröffentlichte das Roadhouse auf Facebook einen Fahndungsaufruf. Wer ein „schlechtes Gewissen“ habe, soll die gestohlenen Dinge zurückbringen. Dann werde man von einer Anzeige bei der Polizei absehen, hieß es in dem Posting. Von einer Spende war da noch keine Rede.

Am Dienstagabend fand der Rückgabetermin statt. Viele Dinge wurden zurückgebracht, darunter auch der Gnuschädel. Der Roadhouse-Betreiber, Gerhard Buchinger, sprach gegenüber noe.ORF.at von einer erfolgreichen Aktion – mehr dazu in Roadhouse: Fast alle „Souvenirs“ zurück (noe.ORF.at; 13.3.2024).

Am Mittwoch meldeten sich zahlreiche Betroffene und berichteten gegenüber noe.ORF.at, dass die Rückgabe ganz anders abgelaufen sei. Die Aussagen der meist jungen Leute oder ihrer Eltern klingen alle nahezu ident. Sie seien vom Betreiber massiv dazu gedrängt worden, mindestens 150 Euro zu spenden – andernfalls würde er sie bei der Polizei anzeigen.

150 Euro Wiedergutmachung für alte Gießkanne

Der 21-jährige Marcel hatte bei der Abschlussparty eine alte Gießkanne gestohlen. „Ich habe den Aufruf auf Instagram gelesen, dass sie das Inventar zurückhaben wollen, und habe gedacht, ich fange mit der Gießkanne eh nichts an, darum bringe ich sie lieber zurück, bevor das rechtliche Konsequenzen hat.“

Bei dem Termin am Dienstag habe sich plötzlich herausgestellt, dass es nur dann keine Anzeige gebe, wenn man eine Spende hinterlässt. Die Betroffenen seien einzeln bzw. als „Tätergruppe“ in das Lokal gebeten worden, dort habe man sie fotografiert und ihre Ausweise kontrolliert. „Dann ist der Betreiber gekommen und hat gesagt, es gibt zwei Möglichkeiten: entweder du wirst angezeigt oder du zahlst 150 Euro Mindestspende.“

Der 21-Jährige hat nicht bezahlt, viele andere aber schon. „Ich kann von anderen Bekannten berichten, die sich nicht getraut haben, die vielleicht 17, 18 Jahre alt sind und sich nicht getraut haben, ‚Nein‘ zu sagen. Die meisten Jungen werden sich gedacht haben, sie zahlen lieber die 150 Euro, bevor sie rechtliche Konsequenzen bekommen, was für mich an Erpressung grenzt.“

18-Jährige schaltete Polizei ein

Auch die 18-jährige Miriam aus Mank (Bezirk Melk) hat eine ähnliche Erfahrung gemacht. Sie 18-Jährige hat gemeinsam mit einer Freundin am Abschlusswochenende im Roadhouse ein Schild gestohlen und wollte es am Dienstag zurückbringen. Dabei sei auch sie zu einer „Mindestspende“ von 150 Euro aufgefordert worden.

„Der Betreiber hat einen richtigen Stress gemacht, dass er das Geld jetzt unbedingt haben will. Wir sollen sofort schnell zum Bankomaten fahren und es schnellstmöglich holen. Er gibt uns sonst unseren Führerschein nicht.“ Die 18-Jährige setzt sich ins Auto und ruft ihre Eltern an, die schalten die Polizei ein. Als die Beamten eintreffen, ist von einer Mindestspende von 150 Euro plötzlich keine Rede mehr. „Er war ganz anders, als die Polizei da war“, erzählt die Schülerin. Die beiden Mädchen hätten schließlich einen geringen Bargeldbetrag gespendet.

Der 24-Jährige und seine beiden Freunde, die am Abschlusswochenende den Gnu-Schädel gestohlen hatten, wurden zu einer Spende von 450 Euro aufgefordert. Er habe das Geld vom Bankomat geholt und in die Box geworfen, berichtet der junge Mann, der anonym bleiben möchte, im Gespräch mit noe.ORF.at. Einen Spendenbeleg habe er für das Geld nicht bekommen: „Keine Quittung, einfach gar nichts.“

Bei der Landespolizeidirektion Niederösterreich heißt es auf Anfrage von noe.ORF.at, dass Stand Mittwoch noch keine Anzeigen vorlagen. Beamte der Polizeiinspektion Ybbs hätten aber während des Rückgabetermins Nachschau gehalten. Dabei sei kein strafrechtlicher Tatbestand aufgefallen bzw. gemeldet worden, so ein Polizeisprecher. Einige Betroffene überlegen aber nun, doch noch Anzeige zu erstatten.

Roadhouse-Betreiber weist Vorwürfe zurück

Der Betreiber des Roadhouse, Gerhard Buchinger, wies im Telefonat mit noe.ORF.at am Mittwoch sämtliche Vorwürfe zurück und wollte sich nicht weiter dazu äußern. Laut einem Posting auf der Instagram-Seite des Lokals seien mehr als 6.000 Euro an Spenden an eine Stiftung der Gemeinde Bergland (Bezirk Melk) übergeben worden. Bürgermeister Walter Wieseneder (ÖVP) betonte auf Anfrage, dass es Stand Mittwoch noch keine offizielle Anfrage seitens des Roadhouse-Betreibers gegeben habe und auch noch kein Geld überwiesen wurde.

Die besagte Karl-Mayrhofer-Stiftung existiere aber, so Wieseneder, und sei mit 10.000 Euro dotiert. Mit dem Geld werden dem Bürgermeister zufolge Familien unterstützt, die in Not geraten sind. Bezüglich der Spenden vom Roadhouse werde man sich aber gut überlegen, ob man sie annehmen werde, „wenn sie einen fahlen Beigeschmack haben“, sagte Wieseneder.

Die Causa zieht jetzt aber noch weitere Kreise. Ein Polizist aus dem Bezirk Melk soll dem Betreiber als Privatperson bei der Abwicklung geholfen haben. Es werde nun intern geprüft, ob eine Verfehlung vorliegt, heißt es von der Landespolizeidirektion.