Wirtschaft

„Teuflischer Mix“ als Grund für Insolvenzen

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist im ersten Quartal 2024 stark angestiegen. Niederösterreich ist mit bisher 307 Insolvenzen besonders stark betroffen und liegt im Bundesländervergleich auf Platz zwei. Grund sei ein „teuflischer Mix“ aus mehreren Faktoren.

Österreichweit gab es im Vorjahr im ersten Quartal 1.328 Unternehmensinsolvenzen, heuer sind es bereits 1.691 – ein Anstieg um 27 Prozent. Auch in Niederösterreich nahm die Zahl der Pleiten deutlich zu: von 260 im ersten Quartal 2023 auf heuer bereits 307, ein Anstieg um 18 Prozent. Das ist laut Kreditschutzverband von 1870 der höchste Wert für Niederösterreich seit Beginn der Aufzeichnungen.

Pro Tag wurden heuer rund vier Insolvenzen angemeldet. Die Zahl der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdreifachte sich, da diesmal einige größere Unternehmen betroffen waren, etwa der Dämmstoffhersteller Brucha mit Sitz in Michelhausen (Bezirk Tulln).

Auffällig viele große Unternehmen betroffen

Die Insolvenz von Brucha war die bisher größte Unternehmenspleite, die in diesem Jahr in Niederösterreich bekannt wurde. Weitere größere Insolvenzen betrafen den Glasfaserhersteller NBG Fiber Holding in Gmünd und den Autozulieferer MGG Herzogenburg (Bezirk St. Pölten).

Die Insolvenz größerer Unternehmen sei „auffällig“, sagt Karl-Heinz Götze, Insolvenzleiter des Kreditschutzverbandes von 1870. In den vergangenen Jahren seien eher kleine und mittlere Unternehmen von Insolvenz betroffen gewesen, „jetzt sind diese Insolvenzen um einiges größer geworden“, sagt Götze. Er macht einen „teuflischen Mix“ aus Inflation, hohen Energiekosten, hohen Personalkosten und höheren Zinsen, die Investitionen kostspieliger machen, verantwortlich für den Anstieg der Insolvenzen.

Wettbewerbsfähigkeit leidet unter hohen Kosten

Das treffe neben dem Handel und der Gastronomie insbesondere den Bau- und Produktionssektor. Hohe Energie- und Personalkosten würden der Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich mit anderen Ländern schaden, so Götze: „Da müssen wir natürlich über die österreichischen Grenzen hinausschauen, im Vergleich dazu haben wir einfach zu hohe Kosten.“

Das von der Bundesregierung angekündigte Baupaket und die angekündigten Erleichterungen bei der Kreditvergabe sollten langfristig nützen, „aber das wird nicht unmittelbar helfen“, meint der Insolvenzexperte.

Experte über Firmeninsolvenzen

Anstieg bei Firmenpleiten | Experte über Firmeninsolvenzen | Kompetenz des Landesrechnungshofs | Land will Ferienbetreuung ausbauen | Meldungen | Häuser als Zeitreise

Insolvenz hat reinigende Wirkung

Volkswirtschaftlich gesehen hätten Insolvenzen aber auch eine reinigende Wirkung für die Wirtschaft, sagt Götze: „Man merkt jetzt am Arbeitsmarkt, dass Arbeitsplätze dementsprechend freiwerden, und die werden dringend in anderen Bereichen benötigt“, so Götze: „Das ist schon in diesem Sinne eine gute Entwicklung, auch wenn es im Moment natürlich dramatisch ist für die Person, wenn sie ihren Job verliert.“ Ähnlich hatte sich zuletzt auch WIFO-Chef Gabriel Felbermayr geäußert – mehr dazu in Felbermayr: „Insolvenzen haben auch Gutes“ (noe.ORF.at; 31.1.2024).

Aus heutiger Sicht deute wenig daraufhin, dass sich die negative Entwicklung umkehre. „Es gibt keine Anzeichen, dass die Insolvenzen gebremst werden“, sagt Götze. Das zeigt sich auch in den Anfragen bei der Arbeiterkammer Niederösterreich: Die Zahl der Beratungen von Arbeitnehmern, deren Firmen zahlungsunfähig geworden sind, ist im Vergleich zum ersten Quartal 2023 um 170 Prozent gestiegen.