Kyle Abraham
Alexander Diaz
Alexander Diaz
Kultur

Festspielhaus mit dichtem Welt-Programm

Im Festspielhaus St. Pölten herrscht Hochbetrieb: Die aktuelle Saison läuft noch, in drei Wochen startet das Tangente-Festival, ohne Unterbrechung folgt dann die nächste Saison. Der Vertrag mit der künstlerischen Leiterin Bettina Masuch wurde unterdessen verlängert.

Masuch ist seit Herbst 2022 künstlerische Leiterin im Festspielhaus, ihr Vertrag wurde nun bis 2031 verlängert. „Ich freue mich sehr über die Möglichkeit auch weiterhin daran zu arbeiten, dass das Festspielhaus St. Pölten seinen Platz unter den national und international herausragenden Mehrspartenhäusern mit einem Programm am Puls der Zeit einnimmt“, so Masuch.

Sie wolle das Festspielhaus „als inklusiven Ort und Kulturinstitution der nahbaren Exzellenz für unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Biografien relevant halten“, gab sie als Ziel für die nächsten Jahre aus. Neben der Musik soll vor allem der Tanz weiter gefördert werden, das Festspielhaus soll noch mehr als „zentrales Haus für zeitgenössischen Tanz und Musik in Niederösterreich und weit darüber hinaus“ positioniert werden, so die künstlerische Leiterin.

Bettina Masuch im Festspielhaus St. Pölten
ORF
Bettina Masuch bleibt bis 2031 künstlerische Leiterin

Produktionen sollen „anders“ sein

Neben gewohnt hochkarätigen Produktionen hat sich das Festspielhaus für die kommende Saison vor allem eines vorgenommen: Programm, das auf die eine oder andere Art aus der Reihe tanzt. Und zeitgenössischer Tanz bleibt das herausragende Merkmal. Viele Produktionen sind erstmals auf einer österreichischen Bühne zu sehen, so etwa eine Koproduktion mit Kyle Abraham (s. Bild ganz oben), der ikonische Beispiele afroamerikanischer kultureller Selbstbestimmung auf die Bühne bringt und dabei Rap-, Hip-Hop- und Breakdance-Kultur mit klassischer Musik und Tanztradition verbindet.

Als weitere Österreich-Premieren sind u.a. Michael Keegan-Dolans ausdrucksstarke und düstere Choreographie „MAM“ auf der Bühne zu sehen oder „Yo Bro“, bei dem die junge Choreografin und Performerin Joana Tischkau gemeinsam mit ihrem Bruder eine ganz besondere Revue über Fernsehen in Szene setzt. Weltoffenheit zieht sich auch durch die Musik, etwa in Oums modernen marokkanischen Klängen, oder Marcos Moraus Notte Morricone, in dem er sich gemeinsam mit den niederösterreichischen Tonkünstlern vor dem Werk Ennio Morricones verneigt, das weit über die Vertonung von Italowestern hinausgeht.

Die Produktionen dürfen und sollen laut Masuch „anders“ sein. „Wir leben in einer Zeit, die sehr meinungsstark ist. Was dabei verloren geht, sind die Zwischentöne, also alles das, was man nicht so eindeutig zuordnen kann. Es gibt viele Künstler, die sich im Moment mit der Frage beschäftigen, wie man diese anderen Stimmen aushalten und denen zuhören kann, die nicht die eigene Meinung vertreten, die anders klingen, anders aussehen als man es gewohnt ist.“

Fotostrecke mit 8 Bildern

Performance „Der Garten der Lüste“
Martin Argyroglo
In der kommenden Saison warten viele Österreich-Premieren – etwa Philippe Quesnes „Der Garten der Lüste“, der das namensgebende Bild von Hieronymus Bosch zum Leben erweckt
Yasmeen Godder Tänzerinnen
Tamar Lamm
Die israelische Popsängerin Yasmeen Godder singt sowohl auf Hebräisch als auch Arabisch, was schon vor dem 7. Oktober des Vorjahres ein Politikum war
Marcos Morau
Albert Pons
Marcos Morau widmet einen Abend der Musik von Ennio Morricone
Alf-Figuren
Maya Röttger
Wie das Fernsehen unser Bild von Familie geprägt hat, beleuchtet Joana Tischkau erstmals auf österreichischer Bühne
 Oona Doherty
Luca Truffarelli
Auch zum ersten Mal in Österreich zu sehen und hören ist Oona Dohertys Mischung aus Tanz, Theater und irischem Sound
Hofesh Schechter
Ulrich Geischë
Hofesh Schechter sind keine Unbekannten im Festspielhaus und gastieren mit der Österreich-Premiere „Theater of Dreams“
Emanuel Gat
Julia Gat
Mit seiner „Freedom Sonata“ feiert Emanuel Gat sein 30-jähriges Jubiläum als Choreograf
Mnozil Brass
Maria Frodl
Mnozil Brass sind Stammgäste im Festspielhaus und feiern ebenfalls ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum

Fixer Bestandteil des Festspielhauses ist das niederösterreichische Tonkünstler-Orchester, das auf die japanischen Kodo-Zeremonietrommler trifft. Im Juni feiert der langjährige Chefdirigent Yutaka Sado seinen Abschied vom Orchester und übergibt an den Franzosen Fabien Gabel – mehr dazu in Gabel will Tonkünstler „musikalisch öffnen“ (noe.ORF.at; 13.6.2023). Abschied zu nehmen, sei „natürlich immer bittersüß“, so Masuch. „Aber Yutaka Sado wird dem Orchester als Gast verbunden bleiben und wir freuen uns auf die neue Zusammenarbeit.“

Österreich-Premieren bei Tangente

Auch beim St. Pöltner Kulturfestival Tangente wirkt das Festspielhaus mit – hier wird es am 30. April auch eröffnet, mit „Justice“, einer Oper von Hector Parra und Milo Rau. Zu sehen sein werden zudem etwa die Österreich-Premiere von Philippe Quesnes Performance „Garten der Lüste“ und einer der derzeit gefragtesten Tänzer, Kyle Abrahams mit „Cassette Vol. 1“.

Das Tangenten-Publikum will man von der kulturellen Vielfalt der Stadt überzeugen. „St. Pölten hat jetzt schon sehr viel zu bieten, es gibt herausragende Kultur in dieser Stadt und die wird es weiter geben“, sagt Masuch im Gespräch mit noe.ORF.at.

„Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, ist es, dass wir alle gemeinsam mit einem größeren Selbstbewusstsein das verteidigen, was es hier schon gibt. Und ich wünsche mir natürlich, dass es Besucherinnen und Besucher gibt, die vielleicht bis jetzt den Weg noch nicht in diese Stadt gefunden haben und das entdecken und dann auch wiederkommen.“