Bombenschäden in der Innenstadt von St. Pölten 1945
Stadtarchiv St. Pölten
Stadtarchiv St. Pölten
1945/2020

St. Pölten 1945: Zerstört, aber befreit

Am 15. April 1945 hat die Rote Armee St. Pölten erobert und damit von der NS-Herrschaft befreit. Noch Tage zuvor haben die Nazis vom „Endsieg“ gesprochen, am 13. April wurden Widerstandskämpfer hingerichtet. Vor 75 Jahren hat ein neuer Zeitabschnitt begonnen.

St: Pölten hatte die Kriegsjahre so gut wie unversehrt überstanden. Im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs, 1945, wurden die Luftangriffe der Alliierten verstärkt, Angriffsziele waren u.a. Wien und Wiener Neustadt. St. Pölten hatte als Industriestadt und Bahnknotenpunkt eine strategische Bedeutung. Zunächst war St. Pölten nur als Ausweichziel für den Fall vorgesehen, dass Bombenflugzeuge ihren vorgegebenen Zielort – zum Beispiel wegen schlechter Sichtverhältnisse – nicht erreichen konnten.

Die Eisenbahnlinien bildeten ein bevorzugtes Ziel der strategischen Bomberverbände. "Am 22. März 1945 erfolgte ein schwerer Luftangriff durch US-Bomber auf den St. Pöltner Bahnhof und die Reparaturwerkstätten. Die Amerikaner vermeldeten die Zerstörung der Werkstätten samt 450 Waggons. Die Stadt musste zu Ostern 1945 schwere Bombenangriffe über sich ergehen lassen. Am 1. April (Ostersonntag) warfen 102 B-24-Bomber ihre Last auf den Bahnhof ab“, so Thomas Lösch, Leiter des Stadtarchivs von St. Pölten.

Durch Bomben in Schutt und Asche gelegt

Viele der amerikanischen Bomben verfehlten jedoch ihr Ziel und schlugen in Wohngebieten ein, wo sie schwere Schäden anrichteten. „Fotos aus dem Jahr 1945 zeigen das Ausmaß der Zerstörung, das die Bombenangriffe der Alliierten in der Stadt hinterlassen hatten. Hunderte Zivilisten wurden getötet, 39 Prozent des Häuserbestandes zerstört oder beschädigt. Manche Stadtviertel – wie die Gegend um den Bahnhof – wurden durch die Angriffe besonders stark in Mitleidenschaft gezogen. Ganze Häuserzeilen in der Stadt, etwa in der Brunngasse, wurden durch Kriegseinwirkungen völlig in Schutt und Asche gelegt“, schreibt Thomas Pulle, Leiter des Stadtmuseums St. Pölten, in dem Buch „St. Pölten 1945“, das anlässlich der gleichnamigen 2015/16 im Stadtmuseum gezeigten Ausstellung erschien.

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Bombenschäden in der Innenstadt von St. Pölten 1945
Stadtarchiv St. Pölten
St. Pölten im Frühjahr 1945
Bombenschäden in der Innenstadt von St. Pölten 1945
Stadtarchiv St. Pölten
St. Pölten im Frühjahr 1945
Bombenschäden in der Innenstadt von St. Pölten 1945
Stadtarchiv St. Pölten
St. Pölten im Frühjahr 1945
Bombenschäden in der Innenstadt von St. Pölten 1945
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St. Pölten im Frühjahr 1945
Zerbombtes Sankt Pölten im Jahr 1945
Stadtmuseum St. Pölten
St. Pölten im Frühjahr 1945

Mitte April 1945 war St. Pölten Ziel von Kämpfen zwischen der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee. Die Stadt war von der Wehrmacht als Teil der Linie 2 des Südostwalls bestimmt worden. Der Militärhistoriker Manfried Rauchensteiner schreibt in seinem Standardwerk „Der Krieg in Österreich 1945“ über den 14. April: „Auch Böheimkirchen fiel nach kurzen Infanteriekämpfen. Der deutsche Widerstand, der vor allem […] dazu dienen sollte, eine starke Abwehrfront westlich der Traisen aufzubauen, war durch den Fall Herzogenburgs am 14. bedeutungslos geworden. Es kam zwar bei Pottenbrunn und westlich von Böheimkirchen noch zu sehr ausgedehnten Kampfhandlungen, die jedoch das Schicksal der deutschen Verbände ostwärts der Traisen nicht mehr ändern konnten. […] In der Nacht zum 15. April drangen dann sowjetische Soldaten, wahrscheinlich der 106. Garde-Schützen-Division, in die Stadt ein, ohne dabei auf größeren Widerstand zu stoßen.“

Der Kampf um St. Pölten hatte große Zerstörungen der städtischen Infrastruktur zur Folge. Wasser- und Gasleitungen waren vielfach unterbrochen, das Kanalnetz schwer beschädigt. Zahlreiche Brücken waren von den flüchtenden NS-Truppen gesprengt worden. Durch die Kampfhandlungen starben in St. Pölten 591 Zivilpersonen, im Stadt- und Landbezirk St. Pölten kamen mehr als 2.000 deutsche und über 1.600 sowjetische Soldaten ums Leben.

Bombenschäden in der Innenstadt von St. Pölten 1945
Stadtarchiv St. Pölten
Der durch Bomben zerstörte Bahnhof in St. Pölten

Die Wohn- und Versorgungslage in St. Pölten war in den April- und Maitagen 1945 „besonders dramatisch und die Forderungen der sowjetischen Militärs waren, wenn überhaupt, nur sehr schwer zu erfüllen. Doch nicht nur Gewalt und Zerstörung prägten das Bild dieser Tage: Sofort nach dem Zusammenbruch des verbrecherischen Nazi-Staats machten sich beherzte Frauen und Männer daran, das Überleben der Menschen zu sichern und eine funktionierende Kommune aufzubauen“ (Thomas Pulle).

Die Befreier blieben als Besatzer

Matthias Stadler (SPÖ), Historiker und seit 2004 Bürgermeister von St. Pölten, schreibt in dem Buch „St. Pölten 1945“: „Die von den Sowjets eingesetzten Bürgermeister Günther Benedikt und Franz Käfer waren mit riesigen, manchmal unlösbaren Problemen konfrontiert. So schnell wie möglich sollte der Schutt beseitigt und mit dem Wiederaufbau begonnen werden, die völlig zerstörte Infrastruktur der Stadt musste wiederhergestellt werden, vor allem aber musste das nackte Überleben der Stadtbewohner gesichert werden, denn die Versorgungslage in den April- und Maitagen des Jahres 1945 war katastrophal.“

Buchhinweis

St. Pölten 1945. Mit Texten von Thomas Pulle, Siegfried Nasko und Thomas Lösch. Katalog des Stadtmuseums St. Pölten, erschienen 2016. 160 Seiten, zahlreiche Farb- und schwarz-weiß-Fotos, 15,00 Euro.

Dazu kam noch das Verhältnis zu den Sowjets, deren Truppen in der Hesserkaserne und in der Kaserne in Spratzern stationiert waren. „In St. Pölten blieben die sowjetischen Befreier als Besatzer. Wie in anderen von der Roten Armee besetzten Ortschaften kam es auch in St. Pölten zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung“ (Thomas Lösch).

Die großen Industriebetriebe wie Voith und Glanzstoff wurden als „Deutsches Eigentum“ von der Sowjetunion beschlagnahmt und ab 1946 mit anderen Betrieben in Ostösterreich in der USIA zusammengefasst. Die Betriebe standen unter sowjetischer Kontrolle und produzierten in erster Linie für den Export in die UdSSR.

April 1945: Das Ende ist nah

Im April 1945 begann die sowjetische Offensive gegen Berlin. Adolf Hitler nahm sich am 30. April im Berliner Führerbunker zusammen mit seiner Ehefrau Eva Braun das Leben. Am 4. Mai kapitulierten Hitlers Truppen in Norddeutschland, Dänemark und den Niederlanden. Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands erfolgte schließlich in der Nacht von 8. auf 9. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst, womit der Zweite Weltkrieg in Europa beendet war.

An der asiatischen Front führte erst der Abwurf der US-Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August das Ende des Krieges herbei. Kaiser Hirohito gab daraufhin am 15. August die Kapitulation seines Landes bekannt. Offiziell endete der Zweite Weltkrieg am 2. September 1945 mit der Kapitulationsunterzeichnung Japans.

Die Folgen des Krieges, dessen Brutalität nie da gewesene Ausmaße erreicht hatten, wirkten noch lange nach. Weltweit kamen – nach unterschiedlichen Schätzungen – zwischen 55 und 60 Millionen Menschen ums Leben, Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen. Die meisten Toten gab es mit über 25 Millionen in der Sowjetunion. Zusätzlich zu jenen Menschen, die durch Kämpfe, Bombardements, Massaker, Hunger und Todesmärsche getötet wurden, wurden über sechs Millionen Menschen in Konzentrations- und Vernichtungslagern systematisch ermordet – in der überwiegenden Mehrzahl Juden, vom Baby bis zum Greis.