Es ist der erste Winter in der Pandemie, in dem man – vorbehaltlich eines 2-G-Nachweises – ohne große Einschränkungen fliegen kann. Im Dezember 2021 zählte der Flughafen, trotz des allgemeinen Lockdowns bis 12. Dezember, viermal so viele Passagiere wie im Dezember 2020. Die Austrian Airlines sprechen sogar von ausgebuchten Langstreckenfliegern: „Die waren in den Weihnachtsferien zu 98 Prozent voll. Wir merken die Reiselust vor allem bei den Warmwasserdestinationen wie Mauritius oder den Malediven, da haben wir auch aufgestockt und sind täglich geflogen“, sagt Sprecherin Anna Pachinger.
Wegen der Impfpflicht erwartet man, dass das freie Reisen anhalten wird. Gerechnet wird im ganzen Jahr 2022 mit etwa 17 Millionen Passagieren am Flughafen Wien in Schwechat, also so vielen wie 2006. Immerhin sind das sieben Millionen mehr als 2021.
Meiste Passagiere:
1. August 2021: 68.901
16. August 2020: 31.675
14. Juli 2019: 113.069
Wenigste Passagiere:
9. März 2021: 1.503
13. April 2020: 154 (nach Pandemiebeginn)
19. Jänner 2019: 41.343
Heuer so viele Fluggäste wie 2006 erwartet
Freilich: Man startet von einem sehr niedrigen Niveau. Zahlen, die heute als positive Entwicklung gelten, sehen im Vergleich zum Passagieraufkommen vor der Pandemie unbedeutend aus. 17 Millionen Passagiere machen die Hälfte des Reiseverkehrs aus, der vor der Pandemie 2019 herrschte. Damals wurde mit 31,7 Millionen Gästen ein neuer Rekord verkündet.
Nichtsdestotrotz habe man „die Talsohle hoffentlich durchschritten“, sagte Flughafen-Vorstand Julian Jäger bei einem Pressetermin im Jänner. 2022 will der Flughafen die Turbulenzen, das ständige Auf und Ab des Passagieraufkommens, hinter sich lassen. „Der Flughafen muss durch die CoV-Krise von 2021 bis 2023 insgesamt einen Umsatzverlust von 1,3 Milliarden Euro verdauen, 2022 soll aber nun den wirtschaftlichen Turnaround bringen“, so Flughafen-Vorstand Günther Ofner. Um diese Zeit vor etwa zwei Jahren machten sich das Coronavirus und seine Folgen erstmals am Flughafen bemerkbar.
Vom Rekordjahr zum Notbetrieb in drei Monaten
Am 25. Jänner 2020 werden erstmals Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen durchgeführt, medizinisches Personal sorgt sich um Passagiere, die typische CoV-Symptome zeigen. Ab 29. Jänner fliegen die Austrian Airlines nicht mehr nach China. Am 6. Februar finden die ersten Temperaturmessungen bei Fluggästen statt. Am 2. März schnürt der Flughafenvorstand bereits ein Sparpaket – zu diesem Zeitpunkt noch „vorsorglich“. Man will abwarten, ob die Krise vor dem Sommer vorbei ist, das Sparpaket wird aber bereits im April aktiviert.
Am 17. März 2020 beginnen Rückholaktionen für Österreicherinnen und Österreicher im Ausland. Am 19. März stellt die AUA den Linienflugbetrieb ein. Als letzter Flieger landet die „OS 066“ aus Chicago. Im April fliegt dann fast niemand mehr. Es gibt Landeverbote. Der Passagierrückgang beträgt damals 99 Prozent, der Flughafen ist im Notbetrieb. Flugzeuge werden eingemottet, am Flughafen und bei den Austrian Airlines startet die Kurzarbeit. Der Luftfahrtexperte Kurt Hofmann sagt damals in einem Interview mit noe.ORF.at: „Manche Airlines sagen, sie werden heuer überhaupt nicht mehr fliegen.“
Ein Auf im Sommer, ein Ab im Winter
Mit den warmen Temperaturen geht es dann doch bergauf. Am 4. Mai 2020 werden am Flughafen erstmals PCR-Tests angeboten, damals noch eine der wenigen Möglichkeiten, sich privat testen zu lassen. Die Austrian Airlines werden im Juni 2020 mit einem Rettungspaket aufgefangen. Am 15. Juni fliegt die AUA nach dreimonatiger Zwangspause wieder Linienflüge. Bereits im Mai hebt die Wizzair wieder vom Flugfeld ab.
Im Sommer werden die meisten Landeverbote aufgehoben und durch Einreisebestimmungen, wie Registrierung oder verpflichtende Quarantäne, ersetzt. Ab 15. Oktober 2020 gibt es am Flughafen erstmals Antigen-Schnelltests. Aber mit den kühleren Monaten breitet sich das Coronavirus wieder stärker in der Bevölkerung aus, es kommen neue Lockdowns und Reisebeschränkungen. Im Jänner 2021 gibt es im Durchschnitt wieder nur 5.000 Passagiere täglich.
Der erste Sommer mit Grünem Pass
Piloten und Fluglotsen halten sich wegen der niedrigen Anzahl an Flügen im ersten Halbjahr 2021 wieder mit Trockentraining fit. Und ab Mai wiederholt sich, was bereits 2020 der Fall war: Die Urlaubsflüge kommen zurück. Bis zum Sommer ist der Großteil der Bevölkerung zur CoV-Schutzimpfung zugelassen, mit dem Grünen Pass fällt das Reisen leichter. Der stärkste Reisetag ist der 1. August 2021 mit fast 69.000 Passagieren.
Im Sommer 2021 breitet sich jedoch die Delta-Variante aus. Im August wird dann wegen Fallhäufungen in einigen Ländern eine 3-G-Regel aufgestellt. Ungeimpfte Flugreisende aus bestimmten Ländern müssen einen PCR-Test vorweisen. Die Kontrollen am Flughafen durch Bundesheer und Grenzpolizei werden verschärft. Im Herbst kommt ein Lockdown für Ungeimpfte, später auch für Geimpfte. Ab 20. Dezember 2021 muss man für die Einreise nach Österreich geboostert sein, Genesene und doppelt Geimpfte müssen zusätzlich einen PCR-Test vorweisen. Das gilt vorbehaltlich einer Verlängerung noch bis 28. Februar 2022.
Letzte eingemottete AUA-Maschine bald in der Luft
Und heute? Die Kurzarbeit am Flughafen und bei den Austrian Airlines besteht noch immer. Auch die FFP2-Maskenpflicht, die Empfehlung zum Mindestabstand und die Einreisekontrollen sind geblieben. Die AUA landete im Herbst erstmals seit Pandemiebeginn wieder in schwarzen Zahlen, ab März gilt eine 2-G-Regel beim Bordpersonal. Mit der Rückzahlung des Kredits an die Republik liegt man im Plan. Für den Sommerflugplan 2022 wird die letzte noch stillgelegte Langstreckenmaschine, eine Boeing 777, reaktiviert.
Im Durchschnitt erwartet man 2022 etwa die Hälfte des Passagieraufkommens im Vergleich zu vor der Pandemie. Dieser Wert basiert aber auf einem störungsfreien Herbst und Winter, hinter dem noch ein Fragezeichen steht. Auch die Taxifahrer am Flughafen sind zögerlich: „Wir hoffen, dass es besser wird, aber seit zwei Jahren gibt es eigentlich überhaupt kein Geschäft“, sagt ein Taxidisponent gegenüber noe.ORF.at. Zurzeit hätte er etwa 50 Fahrer hier, früher seien es 240 gewesen.
„Im Vergleich zum vorigen Jahr kommt es mir noch weniger vor. Es sind ja Ferien und es ist so ruhig, was sehr untypisch ist, aber wir hoffen, dass es aufwärts geht“, sagt Verkäuferin Sabine Travnik. Sie arbeitet seit mehr als 30 Jahren am Flughafen: „Es wird im Sommer sicher besser, weil es wollen ja alle raus. Wir waren ja alle viel zu viel zu Hause.“
Es gibt also so etwas wie Optimismus: In der Pandemie öffnete sogar ein neues Lokal im „Terminal 3“, auch dort spricht eine Verkäuferin von einem guten Sommer 2021, aber von wenig Gästen im Winter. Daneben wird bald ein neues Restaurant von Koch Wolfgang Puck eröffnen.
Luftfracht fast auf Niveau von 2019
Ein Bereich ist aber nahezu wieder auf Vorkrisenniveau: die Luftfracht. 2021 gab es hier einen Anstieg um 20 Prozent, was vor allem dem Umschlag von Gütern zu verdanken ist, die während der Pandemie besonders gebraucht werden: Tests, Masken, Schutzkleidung und Impfstoff. Auch die Betriebsansiedlungen in und rund um den Flughafen laufen weiter. So verlagerte etwa die DHL Air ihre Zentrale am Flughafen, ein Immobilienentwickler errichtet ein neues Logistikzentrum mit 70.000 Quadratmetern.
Ofner: „Reisbereitschaft nicht zurückgegangen“
Die ersten Monate in diesem Jahr werden noch verhalten ausfallen, aber der Sommerflugplan 2022 wirkt schon fast wie einer aus einem „normalen" Jahr. 80 Prozent der Kapazitäten aus dem Jahr 2019 werden angeboten. 180 Destinationen in 60 Ländern werden von Wien-Schwechat aus angeflogen. Bei den Austrian Airlines heißt es, dass vor allem der Mittelmeerraum nachgefragt sei.
Und durch die Impfpflicht hofft man auf weitere Lockerungen, denn dann nimmt auch die Reiselust zu. Das habe man im Sommer 2021 mit der Einführung des Grünen Passes gespürt, sagt Flughafen-Vorstandsdirektor Günther Ofner im Interview in der Fernsehsendung „NÖ heute“. Auf diesen Effekt hofft man auch dieses Jahr.
„Der Wunsch, vor allem im Sommer zu verreisen, ist der höchste, der seit Langem in der Meinungsforschung gemessen wurde“, betont Ofner. Zwar wisse man nicht, ob es künftig wieder so viele Business-Flüge wie vor der Krise geben werde, da viele Unternehmen auf Online-Meetings umgestiegen seien. Doch die Reisebereitschaft der Menschen an sich sei nicht zurückgegangen. „Deshalb glauben wir, dass wir um das Jahr 2025 herum im Wesentlichen wieder auf dem Vorkrisenniveau sein werden“, so Ofner.