Gesundheit

PVZ als mögliche Lösung für Landärztemangel

Immer weniger Jungmedizinerinnen und -mediziner zieht es in eine Praxis am Land. Die Primärversorgungszentren (PVZ) werden dagegen immer beliebter. Sie könnten für die Gesundheitsversorgung am Land in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen.

In den Gemeinden Gresten und Gresten-Land (beide Bezirk Scheibbs) fehlt ein Arzt, und das schon ziemlich lang. 2016 verabschiedete sich einer der beiden für den Sprengel zuständigen Ärzte in den Ruhestand. Seither liegt die gesamte Verantwortung in den Händen des verbliebenen Hausarztes Syrus Nikou. Der sagt: „Mein Privatleben ist jetzt ein bisschen leiser gestellt als früher.“ In sechs Jahren ist es Gesundheitskasse und Ärztekammer nicht gelungen die zweite Stelle nachzubesetzen.

Woran das liegt, darüber zerbricht man sich in den Gemeinden den Kopf. Mindestens 200 Mal sei die Stelle schon ausgeschrieben worden, heißt es – doch noch immer hat sich niemand beworben. „Die Fachrichtung Allgemeinmedizin scheint aus irgendeinem Grund nicht ganz so attraktiv zu sein“, sagt der Bürgermeister von Gresten-Land Erich Buxhofer (ÖVP) – zumindest nicht am Land.

Moderne Ordinationsräume stehen zur Verfügung

Für die 4.500 Bewohnerinnen und Bewohner des Sprengels ist die Situation angespannt. Der verbliebene Hausarzt kann nicht alle betreuen, einige mussten sich Hausärzte außerhalb des Gemeindegebietes suchen. „Wenn man krank oder gehbehindert ist, ist es natürlich nicht angenehm, wenn man weitere Strecken fahren muss“, seufzt Bürgermeister Buxhofer.

Dabei hat man sich in den beiden Gemeinden ordentlich ins Zeug gelegt. Um 900.000 Euro wurde das bestehende Ärztehaus modernisiert und ausgebaut. Neben der Praxis von Syrus Nikou stehen moderne Ordinationsräume für den oder die Neue bereit. „Falls jemand in unsere wunderschöne Gegend kommt, haben wir zumindest Räumlichkeiten vorbereitet“, gibt sich der Bürgermeister kämpferisch.

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Paxis Gresten-Land
ORF/Tobias Mayr
Die Gemeinden Gresten und Gresten-Land verfügen über moderne Ordinationsräume…
Wartezimmer Praxis Arztpraxis Gresten-Land
ORF/Tobias Mayr
…nur bewirbt sich für sie schon seit sechs Jahren kein Arzt.
PVZ St. Pölten
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Umso beliebter sind bei Medizinerinnen und Medizinern dagegen Primärversorgungszentren
PVZ St. Pölten Container
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Auch bei den Patientinnen kommen sie gut an, hier in St. Pölten behilft man sich aus Platzmangel mit Containern
PVZ St. Pölten Baustelle
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Um die Ecke entsteht bereits ein Neubau für das PVZ St. Pölten

PVZ ermöglicht flexiblere Zeiteinteilung

Immer wieder klagen Gemeinden darüber, dass junge Medizinerinnen und Mediziner die Verantwortung einer Landarztpraxis scheuen. Zu unflexibel seien die Arbeitszeiten, zu wenig Zeit bleibe für die Familie, heißt es. Ein Modell, das all das ermöglicht, ist dagegen das Primärversorgungszentrum. Hier teilen sich drei oder mehr Ärzte die Verantwortung, dafür ist die Ordination den ganzen Tag geöffnet. Auch andere Gesundheitsberufe, wie Therapeuten, sind unter dem gemeinsamen Praxisdach vereint.

Das ermögliche eine freiere Zeiteinteilung, sagt der Leiter des PVZ St. Pölten, Rafael Pichler: „Wenn ich jetzt Zuhause mehr Bedarf habe für meine Kinder da zu sein, dann kann ich meine eigenen Arbeitszeiten ändern, ohne dass der Patient es merkt“, so Pichler. „Das ist ein Riesenvorteil im Kopf, der mich sehr frei werden lässt.“ Früher war Pichler Arzt in einer Hausarztpraxis. Tauschen würde er heute nicht mehr wollen.

PVZ St. Pölten Rafael Pichler
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PVZ-Arzt Rafael Pichler schätzt an den Primärversorgungszentren die flexible Zeiteinteilung

Ziel von 14 Zentren scheiterte an „restriktivem Gesetz“

Auch dem Land ist die Attraktivität dieses Modells nicht entgangen. Zwar hält man die klassischen Hausarztpraxen weiter für wichtig und will mit Stipendien Medizinstudierende dazu bringen, sich für die Landpraxen zu verpflichten – mehr dazu in Neues Stipendium gegen Ärztemangel (noe.ORF.at; 11.7.2022), doch auch der PVZ-Ausbau soll weiter vorangetrieben werden.

Eigentlich hatte man bereits im Herbst 2021 14 Primärversorgungseinrichtungen in Betrieb nehmen wollen, daraus wurde aber nichts. Bis heute gibt es nur sechs Einrichtungen – mehr dazu in Primärversorgung: 14 Zentren geplant (noe.ORF.at; 19.1.2019.) „Die Bedingungen im Primärversorgungsgesetz waren extrem restriktiv. Wir sind da auch ständig in Gesprächen und alle Bundesländer fordern, dass diese rechtlichen Rahmenbedingungen erleichtert werden“, rechtfertigt der zuständige Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP) die Verzögerung.

Neue PVZ kommen in Tullnerfeld und Melk

Jetzt soll es dafür umso schneller gehen. „Ich glaube, dass wir durchaus in die Richtung gehen, dass wir zum Jahresende eine zweistellige Zahl an Primärversorgungseinrichtungen aufweisen können“, kündigt Eichtinger an. Zwei der vier bis Jahresende angekündigten PVZ stehen schon fest.

In Tullnerfeld (Bezirk Tulln) schlossen sich drei Hausärzte zum siebten Zentrum zusammen – mehr dazu in Hausärzte gründen neues PVZ im Tullnerfeld (noe.ORF.at; 20.4.2022). Das achte Zentrum werde in der Stadt Melk entstehen, kündigte Eichtinger an. Die bisherige Gruppenpraxis Dr. Dr. Kisler & Dr. Kuran in der Melker Bahnhofstraße werde demnächst in ein Primärversorgungszentrum umgewandelt. Im Bezirk Melk gibt es bereits das bislang einzige Primärversorgungsnetzwerk, ein Zusammenschluss von Ordinationen in fünf Gemeinden.