Die Bilder in der Parteizentrale der ÖVP in St. Pölten sagen am 29. Jänner mehr als tausend Worte. Die Volkspartei büßt massiv an Stimmen ein und verliert die absolute Mehrheit. Viel Jubel und Freudentränen sieht man an diesem Abend hingegen bei der FPÖ. Die Blauen sind mit ihrem Parteivorsitzenden Udo Landbauer plötzlich die politisch zweitstärkste Kraft im Land.
Ein Wahldebakel ist es hingegen für die SPÖ. Die Sozialdemokraten fahren wie die ÖVP das historisch schlechteste Ergebnis ein. Erleichterte Blicke und Freudenschreie sieht und hört man bei den Grünen. Die Oppositionspartei gewinnt ein viertes Mandat dazu und somit den Klubstatus wieder zurück. Das Wahlziel – den Klubstatus – erreichen die NEOS nicht, trotzdem freut man sich über den Stimmenzuwachs und zeigt sich in Feierlaune – mehr dazu in Der Wahltag zum Nachlesen (noe.ORF.at, 29.1.2023).
ÖVP-SPÖ: Gescheiterte Gespräche
Nach einem kurzen und intensiven Wahlkampf folgt nach der Wahl die erste Konsequenz. Die SPÖ Niederösterreich verabschiedet sich von ihrem Parteivorsitzenden Franz Schnabl. Neu an der Spitze steht der ehemalige AMS-Niederösterreich-Chef Sven Hergovich. Mit Hergovich beginnen Anfang Februar die Koalitionsverhandlungen, denn die ÖVP verliert nach der Wahl erstmals die Mehrheit der Sitze in der Landesregierung und braucht daher einen Partner – mehr dazu in ÖVP und SPÖ starten vertiefende Gespräche (noe.ORF.at, 14.2.2023).
Die Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ ziehen sich über eineinhalb Monate. Die Sozialdemokraten stellen sechs Bedingungen für die Zusammenarbeit – etwa eine kostenlose Ganztagsbetreuung im Kindergarten oder einen Heizpreisstopp – mehr dazu in SPÖ stellt ÖVP Bedingungen für Zusammenarbeit (noe.ORF.at, 6.3.2023). Die Stimmung scheint zunächst optimistisch, im Laufe der Wochen wird sie immer angespannter. Die ÖVP kritisiert die Forderungen der SPÖ als standortschädlich.
Nachdem Hergovich in einem Interview mit der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ sagt, er hacke sich lieber die Hand ab, als auf seine Forderungen zu verzichten, drückt die ÖVP bei den Verhandlungen auf die Stopptaste und die politischen Karten werden neu gemischt – ÖVP stoppt Verhandlungen mit SPÖ, Gespräche mit FPÖ beginnen (noe.ORF.at, 9.3.2023). Als zweiter Gesprächspartner wird die FPÖ geladen.
ÖVP-FPÖ Arbeitsübereinkommen
Die Verhandlungen zwischen der ÖVP und der FPÖ sind nur von kurzer Dauer. Bereits Mitte März präsentiert man gemeinsam ein Arbeitsübereinkommen. Mikl-Leitner spricht von keiner Liebesbeziehung aber einer tragfähigen Arbeitsbeziehung zwischen ihr und Udo Landbauer – mehr dazu in ÖVP und FPÖ: Details zu Regierungspakt (noe.ORF.at, 9.3.2023).
Mikl-Leitner mit dünner Mehrheit gewählt
Kurz nach der Ankündigung des Übereinkommens folgt der Protest. Nicht nur auf der Straße wird demonstriert, Kritik folgt auch von Kulturschaffenden und Teilen der jüdischen Community. Als Landeshauptfrau wird Mikl-Leitner bei der konstituierenden Landtagsitzung am 23. März mit dünner Mehrheit angelobt – mit nur 24 von 41 gültig abgegebenen Stimmen. Die FPÖ wählt ungültig, um ihr die Mehrheit zu sichern. Udo Landbauer wird Landeshauptfrau-Stellvertreter – mehr dazu in Mikl-Leitner mit 24 Stimmen gewählt (noe.ORF.at, 23.3.3023).
ÖVP-FPÖ: Arbeit unter Kritik
Einige Projekte aus dem Arbeitsübereinkommen wie etwa der Gender-Erlass oder die Wirtshausprämie sorgen für Kritik. Am Herzen liegt der FPÖ besonders der 31 Millionen Euro schwere Corona-Fonds, der etwa Ausgleichszahlungen für Impfgeschädigte vorsieht. Es ist eines der umstrittensten Vorhaben der ÖVP-FPÖ-Landesregierung. Ende Mai wird der Fonds im Landtag beschlossen – SPÖ, Grüne und NEOS stimmen dagegen – mehr dazu in Umstrittener Coronafonds wird beschlossen (noe.ORF.at, 24.5.2023).
Im April wird von Schwarz-Blau der niederösterreichische Wohn- und Heizkostenzuschuss beschlossen. Dafür sollen laut Angaben 85 Millionen Euro vom Bund zur Verfügung stehen. Die erste Person im Haushalt bekommt 150 Euro als Einmalzahlung, für jede weitere gibt es 50 Euro zusätzlich. Keinen Zuschuss erhalten Asylwerber und Inhaftierte – mehr dazu in Schwarz-Blau präsentiert neuen Zuschuss (noe.ORF.at, 11.4.2023).
Parteispitzen bei ORF NÖ-Sommergesprächen
Viel Kritik wird von SPÖ, Grüne und NEOS auch bei den politischen Sommergesprächen in der Musikschule in St. Pölten geäußert. Ein Topthema des Jahres – die Teuerung – werde etwa von der Landesregierung nicht ernst genug genommen, es würden die Maßnahmen dagegen fehlen, sagt der selbsternannte Kontrolllandesrat Sven Hergovich (SPÖ).
Grünen-Chefin Helga Krismer fordert etwa ein Tempolimit von 100 km/h für fossile Verbrenner und wirft der Landesregierung Untätigkeit bei der Klimapolitik vor. Zudem zeigt Krismer Verständnis für Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten, auch wenn sie nicht jede Aktion gutheiße.
NEOS-Landessprecherin Indra Collini übt beim Sommergespräch scharfe Kritik an der EVN-Preispolitik. Es gebe bei dem Landesenergieversorger einen Aufsichtsrat, der durchaus politisch besetzt sei. Und ein Aufsichtsrat könne Einfluss nehmen auf die Preisgestaltung, so Collini.
Landeshauptfrau und ÖVP-Landesparteiobfrau Johanna Mikl-Leitner kritisiert sowohl die Preispolitik der EVN als auch – wie sie sagt – die „intransparenten Tarife“. Zudem kündigt Mikl-Leitner ein großes Bodenschutzprogramm an, das in den vergangenen Jahren ausgearbeitet worden sei. In allen 20 Bezirken seien regionale Raumordnungspläne erstellt worden.
FPÖ-Landesparteiobmann und LH-Stv. Udo Landbauer nimmt im Sommergespräch zur Erhöhung der Politikergehälter erstmals Stellung. Landbauer spricht sich darin für ein Einfrieren der Spitzensätze aus, die kommunale Ebene sei davon ausgenommen.
Causa Riedl: Umstrittene Grundstücksdeals
Im Sommer sorgt Alfred Riedl, Gemeindebundpräsident und Bürgermeister von Grafenwörth (Bezirk Tulln) für Schlagzeilen. Riedl soll sich in seiner Gemeinde mit zahlreichen umstrittenen Grundstücksdeals bereichert haben, allen voran mit dem Bauprojekt Sonnenweiher. Riedl bestreitet die Vorwürfe – mehr dazu in Häuser am Foliensee: Aufregung in Grafenwörth (noe.ORF.at, 5.7.2023).
Das Projekt „Sonnenweiher“, das in Medien als „Mini-Dubai des Weinviertels“ bezeichnet wurde, umfasst mehr als 200 Häuser um einen Foliensee. Riedl soll laut Berichten mit dem Verkauf von Grundstücken mehr als eine Million Euro verdient haben, Ende Juli werden weitere Geschäfte bekannt – Riedl: Neue Grundstücksdeals veröffentlicht (noe.ORF.at; 27.7.2023).
Nach steigendem Druck stellt Riedl Ende Juli sein Amt als Gemeindebundpräsident ruhend und nominiert eine Doppelspitze, zurücktreten möchte er trotz Aufforderungen von SPÖ, Grüne und NEOS aber nicht. Im Spätherbst führt der Gemeindebund eine Statutenreform durch, die eine Abwahl von Riedl ermöglicht. Nachfolger dürfte der niederösterreichische Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl (ÖVP) werden – mehr dazu in Gemeindebund ermöglicht Riedl-Abwahl (noe.ORF.at, 1.12.2023).
Streit über Umbau von Landtagssitzungssaal
Mitte Dezember bricht über den geplanten Umbau des Landtagssitzungssaales in Niederösterreich ein politischer Streit aus. ÖVP, FPÖ und Grüne sprechen sich für das 11,2 Mio. Euro teure Vorhaben aus, SPÖ und NEOS befürworten den Umbau nur eingeschränkt. Im Vordergrund des Umbaus steht die Barrierefreiheit des 1997 eröffneten Sitzungssaals, angedacht ist zudem eine technische und thermische Sanierung.
Besiegelt ist das Vorhaben noch nicht, ein Allparteienantrag wird verhandelt. Ein Beginn der Umbauten ist frühestens 2026 möglich – mehr dazu in Streit über Umbau von Landtagssitzungssaal (noe.ORF.at, 19.12.2023).